LANDTAG STEIERMARK
XVIII. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 1576/1

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

eingebracht am 21.07.2021, 11:13:01


Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ), LTAbg. Patrick Derler (FPÖ), Dritter Landtagspräsident Dipl.-Ing. Gerald Deutschmann (FPÖ), LTAbg. Mag. Stefan Hermann, MBL (FPÖ), LTAbg. Herbert Kober (FPÖ), LTAbg. Helga Kügerl (FPÖ), LTAbg. Mario Kunasek (FPÖ), LTAbg. Albert Royer (FPÖ)
Fraktion(en): FPÖ
Zuständiger Ausschuss: Europa
Regierungsmitglied(er): Landesrat Mag. Christopher Drexler

Betreff:
Jahr der steirischen Volkskultur 2022

Die von ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz für den heurigen Sommer versprochene Normalität hat die Belastungsprobe bereits nicht bestanden. Das Verbot des „Aufsteirerns“ in seiner ursprünglichen Form war eine schwere Enttäuschung für viele volkskulturbegeisterte Menschen und ein neuerlicher Schlag für den heimischen Tourismus und das steirische Brauchtum. Gerade nach dem Dauer-Lockdown hätte es eine Initialzündung für die Wiedererstarkung der steirischen Volkskultur benötigt. Keine noch so gute beziehungsweise gut gemeinte mediale Inszenierung kann das „Aufsteirern“ als großes Fest des Miteinanders und der steirischen Kultur ersetzen. Elektronisch übermittelte Botschaften sind grundsätzlich kein Ersatz für das menschliche Zusammentreffen unter kulturellen Gesichtspunkten.

Letztlich geht es nicht nur um wirtschaftliche Aspekte oder um eine alljährliche Veranstaltung, sondern um das gesellschaftliche Miteinander in der Steiermark. Hier braucht es gezielte Maßnahmen, um ein wirtschaftliches, soziales und kulturelles Auseinanderbrechen nach Monaten des Lockdowns zu verhindern. In diesem Sinne muss nach den äußerst bescheidenen Bemühungen des zuständigen ÖVP-Kulturlandesrats Christopher Drexler zumindest das Jahr 2022 als „Jahr der steirischen Volkskultur“ ausgerufen werden, um den Steirern das erhoffte „Durchstarten“ rund um Brauchtum und Volkskultur zu ermöglichen.

Konzepte und Möglichkeiten, dieses Jahr mit Leben und Inhalten zu befüllen, gäbe es zur Genüge, zumal bereits im Jahr 2005 der damalige FPÖ-Landeshauptmann-Stellvertreter Leopold Schöggl, unter anderem der Erfinder des „Aufsteirerns“, mit einem „Jahr der Volkskultur“ für äußerst positive Impulse sorgte.

Am 11. Jänner 2005 präsentierte man unter dem Motto „einfach lebendig“ das Konzept, mit dem die Volkskultur wieder im alltäglichen Bewusstsein verankert werden sollte. Ziel war es, steirischen Traditionen wieder zu neuem Leben zu verhelfen, wobei dies nicht über „Großevents“, sondern über unzählige kleine Veranstaltungen passieren sollte. Die „Kleine Zeitung“ berichtete am 12. Jänner 2005 wie folgt: Das ‚Jahr der steirischen Volkskultur‘ beruht im Wesentlichen auf zwei Schwerpunkten. Die Broschüre ‚einfach lebendig‘ wird ab sofort an alle steirischen Haushalte verschickt. Darin werden einfache Traditionen vom Palmbuschbinden über das Fingerspiel bis hin zum Backen des Allerheiligenstriezels erläutert. ‚Für viele sind diese Dinge leider keine Selbstverständlichkeit mehr‘, bedauert Monika Primas, Mitarbeiterin beim Steirischen Volksliedwerk. ‚Aber es sind keine dogmatischen Auflistungen des Brauchtums. Die Broschüre ist als Anregung zum Spielen und Ausprobieren gedacht.‘ […] Der zweite Schwerpunkt ist ein Schulprojekt. Ausgewählte Referenten kommen auf Anforderung kostenlos in Volksschulen, um mit den Kindern zu tanzen, zu singen und zu spielen. Dadurch sollen die Traditionen wieder erlebbar gemacht werden. ‚Viele sagen ja heute: Das hab’ ich nie gelernt, das kenn’ ich nicht‘, weiß Härtel [Hermann Härtel, Steirisches Volksliedwerk, Anm.]. ‚Deswegen ist der Gang zu den Jüngsten besonders wichtig. Dadurch können alte Traditionen wiederbelebt werden.‘“

Der durchschlagende Erfolg des Volkskulturjahres 2005 äußerte sich unter anderem auch dadurch, dass das Schul- und Kindergartenprojekt „einfach lebendig“ seitens des Landes nach wie vor angeboten und regelmäßig mit neuen Inhalten aktualisiert wird  (Quelle: https://www.volkskultur.steiermark.at/cms/ziel/34317607/DE/). Wie jedoch eine Schriftliche Anfragebeantwortung (XVII. Gesetzgebungsperiode, EZ/OZ: 3077/2) vom 3. April 2019 zeigte, kämpft man seit Jahren mit einem Rückgang der Teilnehmer. Nahmen 2005 noch 32.000 Kindergartenkinder und Schüler daran teil, so pendelte sich diese Zahl in den Folgejahren auf rund 10.000 Teilnehmer ein. Mit dem Jahr 2016 war jedoch ein massiver Rückgang auf 6.500 Kinder zu verzeichnen, 5.500 waren es dann im Jahr 2017 und schließlich noch 3.560 im Folgejahr 2018. Auch bei den teilnehmenden Kindergartengruppen beziehungsweise Schulklassen war ein ähnliches Bild wahrzunehmen, von rund 500 Gruppen ging die Zahl seit 2016 ständig zurück und lag 2018 bei nur noch 187. Worauf der Rückgang beruhte, konnte die Landesregierung nicht beantworten. Es kann nur gemutmaßt werden, ob es an der Preisgestaltung oder an mangelnder Bewerbung lag, solange das für die Volkskultur zuständige ÖVP-Ressort keine Ursachenforschung betreibt.

Auch die Brauchtumsbroschüre des Jahres 2005 kann in Form eines Brauchtumskalenders neu belebt werden. 2009 etwa widmete man den Kalender anlässlich des 150. Todestages Erzherzog Johanns dem steirischen Vordenker und seinem Lebenswerk (Quelle: http://www.schuetzenhoefer.steiermark.at/cms/beitrag/11069102/870915/). In einer sich stetig verändernden Zeit, wo schnelllebige Modeerscheinungen und der Zeitgeist gesellschaftliche Strömungen prägen, ist es von elementarer Bedeutung, sich der Wurzeln unserer Heimat zu besinnen sowie historische Persönlichkeiten, die wesentlich zur gedeihlichen Entwicklung des Landes beitrugen, in einem öffentlichen Rahmen zu würdigen.

Bedauerlicherweise wurde der steirische Brauchtumskalender seitens der Landesregierung vor einigen Jahren eingestellt und nicht mehr aufgelegt, dasselbe gilt für das 2017 zuletzt erschienene „Jahrbuch der Volkskultur“. Das zum Ausgleich gedachte Projekt „‚Volkskultur - Digital.2020‘: Fragestellung ‚Was ist Steirische Volkskultur?‘“, das auf einer Internetseite einen Gesamtüberblick über sämtliche volkskulturelle Vereine und Verbände gibt, kann dabei niemals ein adäquater Ersatz, sondern lediglich eine Ergänzung sein. In Zusammenhang mit einem „Jahr der Volkskultur“ wäre es insofern geboten, den Kalender neu aufzulegen und an sämtliche steirische Haushalte und Schulen zu versenden, denn historisch bedeutsame Personen und deren Errungenschaften, Traditionen im Jahresverlauf, aber auch technische Entwicklungen – von Erzherzog Johann stets vorangetrieben – verdeutlichen der steirischen Bevölkerung die komplexen, geschichtlich gewachsenen Zusammenhänge zwischen den Steirern im ländlichen und urbanen Raum.

Für die Ausarbeitung eines Gesamtkonzepts wäre selbsterklärend die Volkskultur Steiermark GmbH als jene Organisation heranzuziehen, die seit Jahren wegweisende Arbeit für das Steirertum leistet. Neben der Aufrechterhaltung bestehender Leuchtturmprojekte wie beispielsweise der „Steirischen Roas“ gilt es, mit vielen kleinen Veranstaltungen in den Regionen, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den zahlreichen Brauchtumsvereinen, eine Ergänzung für die ländliche Bevölkerung zu schaffen, um die angestrebte Breitenwirksamkeit zu erreichen. Daneben sollen bestehende Medienkooperationen, man denke an die Serien „Bei uns dahoam“ und „Der steirische Brauch“, ausgebaut respektive nachhaltig verfolgt werden, um die angestrebte wöchentliche Berichterstattung auch wirklich zu erreichen. Die Einbeziehung regionaler Medien und vor Ort bekannter Experten würde unter Umständen zu einer noch verbesserten Reichweite führen. (Quelle: https://www.volkskultur.steiermark.at/cms/beitrag/12763469/158886306)

Es ist unbestritten, dass die traditionelle Form der Kulturausübung gerade in einem schnell und scheinbar grenzenlos erweiterten Europa gebraucht wird und darüber hinaus identitätsstiftend wirkt. Prinzipiell läge es am zuständigen Referenten für Volkskultur, diesen Bereich durch entsprechende Initiativen mit Leben zu befüllen. Keinesfalls reicht es aus, alljährlich Förderansuchen durchzuwinken und Besucherrekorde beim – ebenfalls wichtigen – „Aufsteirern“ zu vermelden oder, wie im letzten Jahr der Fall, von ORF-Quotenrekorden für die „Aufsteirern-Show“ zu schwärmen. Die Steiermark braucht ein klares Bekenntnis zur Volkskultur – dieses darf sich jedoch nicht in Worthülsen erschöpfen, sondern muss auch mit finanziellen Mitteln und Ideen sowie zugkräftigen Projekten unterlegt sein. Das Jahr 2022 wäre nach den kargen Monaten ohne ausreichenden kulturellen Impuls geradezu prädestiniert, um als „Jahr der steirischen Volkskultur“ die Steiermark in eine Aufbruchsstimmung zu versetzen und ein breitenwirksames Interesse an der Volkskultur zu entfachen.


Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert,

  1. das Jahr 2022 zum „Jahr der steirischen Volkskultur“ auszurufen,
  2. in Zusammenarbeit mit der Volkskultur Steiermark GmbH ein Gesamtkonzept zur Durchführung des „Jahrs der steirischen Volkskultur“ zu erarbeiten, das unter anderem einen über das Gesamtjahr reichenden Veranstaltungsreigen zum Inhalt hat, der als sinnvolle Ergänzung zu weiterhin durchzuführenden bestehenden Projekten wie etwa der „Steirischen Roas“ zu sehen ist,
  3. den steirischen Brauchtumskalender für das Jahr 2022 neu aufzulegen und an sämtliche steirische Haushalte und Schulen zu versenden,
  4. die Volkskultur Steiermark GmbH mit weiteren finanziellen Mitteln auszustatten, um deren Aktivitäten, unter anderem das Schul- und Kindergartenprojekt „einfach lebendig“, nachhaltig zu fördern,
  5. bereits bestehende Medienkooperationen auszubauen, um in den relevanten steirischen Medien im Jahr 2022 wöchentlich eine Berichterstattung über das steirische Volks- und Brauchtum sicherzustellen sowie
  6. das „Aufsteirern“ im Jahr 2022 in seiner ursprünglichen Form durchzuführen und von TV-Shows und anderen inadäquaten Ersatzformen abzusehen.

Unterschrift(en):
LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ), LTAbg. Patrick Derler (FPÖ), Dritter Landtagspräsident Dipl.-Ing. Gerald Deutschmann (FPÖ), LTAbg. Mag. Stefan Hermann, MBL (FPÖ), LTAbg. Herbert Kober (FPÖ), LTAbg. Helga Kügerl (FPÖ), LTAbg. Mario Kunasek (FPÖ), LTAbg. Albert Royer (FPÖ)