EZ/OZ: 661/1
Schriftliche Anfrage an ein Mitglied der Landesregierung (§ 66 GeoLT)
eingebracht am 10.07.2020, 07:19:46
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Mag. Alexander Pinter (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne), LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Dipl.-Ing.(FH) Lara Köck (Grüne), LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Regierungsmitglied(er): Landesrat Johann Seitinger
Frist: 10.09.2020
Betreff:
Antibiotika in der Landwirtschaft
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nimmt die weltweite Zunahme antibiotikaresistenter Bakterienstämme alarmierende Ausmaße an. Die WHO warnt bereits, dass Antibiotikaresistenz "100 Jahre medizinischen Fortschritts zunichte zu machen" drohe. Eine Lösung dafür zu finden sei eine der dringendsten Herausforderungen im Gesundheitsbereich. Aus wissenschaftlicher Sicht besteht kein Zweifel, dass der intensive Antibiotikaeinsatz die Hauptursache für das zunehmende Auftreten resistenter Bakterien darstellt (Stange & Thiem, 2018).
Antibiotika finden in der Veterinärmedizin vielfältige Anwendung. Sie werden kranken Tieren zu therapeutischen Zwecken verabreicht, aber auch zur Prophylaxe, wenn beispielsweise Tiere aus verschiedenen Ställen zusammengestellt werden sollen und die Gefahr von Krankheitseinschleppung durch einzelne Tiere besteht. Über die tierischen Ausscheidungen gelangen die Antibiotika in die Umwelt und können dort zu einer genetischen Veränderung (Resistenzbildung) der Bakterienstämme führen (Rizzo et al., 2013).
Die im Jahr 2014 in Kraft getretenen Veterinär-Antibiotika-Mengenströme-Verordnung soll sicherstellen, dass mit antimikrobiell wirksamen Substanzen verantwortungsvoll umgegangen wird. In Ergänzung zum Tiergesundheitsdienst gibt es eine dreistufige Mengenstromüberwachung (Pharmafirmen, Tierärzte, Landwirte), mit dem Ziel, den Wirkstoffeinsatz möglichst sparsam einzusetzen, um Resistenzsituationen zu minimieren.
Laut dem aktuellen „BERICHT ÜBER DEN VERTRIEB VON ANTIBIOTIKA IN DER VETERINÄRMEDIZIN IN ÖSTERREICH 2014–2018„ der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES), nahm die Verkaufsmenge 2018 im Vergleich zum Vorjahr deutlich (11,7 %) zu. Und: „Die Vertriebsmenge der Antibiotika, die von der WHO als ”Antibiotika von allerhöchster Bedeutung für die Humanmedizin“ eingestuft sind, hat von 2017 auf 2018 um 8 %, von 5,35 auf 5,79 Tonnen zugenommen. Diese Wirkstoffgruppen haben über die Jahre einen relativ konstanten Anteil von rund 12 % an der Gesamtmenge. Da die zugrundeliegende Tierpopulation über die letzten Jahre nur geringfügige Schwankungen aufweist, sind Änderungen in der Abgabemenge nicht auf geringere bzw. höhere Tierzahlen zurückzuführen.“ Dadurch liegt die Vermutung nahe, dass 2018 im Vergleich zu 2017 mehr Antibiotika im Veterinärbereich im Umlauf waren und dass dieser Anstieg vor allem auf die Tierart Schwein zurückzuführen ist.
Quelle: https://www.ages.at/download/0/0/6f1155fcbe47fa14603ac337b0a5db7fff5bab32/fileadmin/AGES2015/Themen/Arzneimittel_Medizinprodukte_Dateien/AB_Mengen_AUT_Bericht_2018.pdf
Es wird daher folgende
Schriftliche Anfrage
gestellt:
1. Sind aus Ihrer Sicht die gemeldeten (steirischen) Daten, die aufgrund der Veterinär-Antibiotika-Mengenströme-Verordnung erhoben werden, qualitativ und quantitativ ausreichend, um bestmöglich die Entstehung und Ausbreitung von Resistenzen zu gewährleisten?
2. Wie erklären Sie sich den Anstieg der Antibiotika in der Tierhaltung, trotz gleichbleibender Tierzahlen? Wurden diesbezüglich Kontrollen durchgeführt?
3. Wie entwickelte sich nach Ihrer Kenntnis der Gebrauch von Antibiotika (qualitativ und quantitativ) in den landwirtschaftlichen Betrieben der Steiermark in den vergangenen fünf Jahren?
4. Welche Anstrengungen unternahm die Landesregierung, um den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft zu reduzieren beziehungsweise die Austräge von antibiotikaresistenten Keimen aus der Tierhaltung zu minimieren? Welche Strategie(n) gibt es, die es der Landwirtschaft ermöglicht, den Antibiotikaverbrauch zu reduzieren?
5. Gibt es repräsentative steirische Daten durch Untersuchungen oder Studien betreffend das Vorkommen antibiotikaresistenter Erreger in Lebensmitteln? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?
6. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, um den Einsatz von antibiotischen Reservemitteln in der Landwirtschaft zu reduzieren?
7. Laut Anfragebeantwortung EZ/OZ: 347/2, XVII. Gesetzesperiode, werden große Mengen von Colistin in der Tiermedizin für die Behandlung von Hühnern und Schweinen verwendet, obwohl dieses Antibiotikum bei multiresistenten gramnegativen Erregern das letzte wirksame Antibiotikum sei. Können Sie das bestätigen bzw. welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, um den Einsatz dieses antibiotischen Reservemittels in der Landwirtschaft zu reduzieren?
8. Werden Sie sich für ein Verbot von antibiotischen Substanzen oder Substanzgruppen in Tierbeständen, die auch in der Humanmedizin essenziell sind, einsetzen?
9. Sind Ihnen aufgrund der kontinuierliche Erfassung der verordneten Antibiotikamengen Betriebe in der Steiermark bekannt, die überdurchschnittlich häufig Antibiotika einsetzen? Welche Maßnahmen werden gesetzt, damit die Behandlungshäufigkeit nachhaltig verringert werden kann?
10. Sind Ihnen Verstöße gegen das Verbot einer prophylaktischen Verabreichung von Antibiotika bekannt? Wie und wie oft wird dieses Verbot kontrolliert? Gibt es unangekündigte Kontrollen? Welche Folgen hat ein Verstoß?
11. Welche (ev. biologischen) Alternativen für den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft können angestrebt werden?
12. Welche Möglichkeiten hat die Landesregierung, um die Forschung nach Alternativen zum Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft voranzutreiben?
13. Verfügen sie über Informtionen zum Forschungsstand bezüglich etwaiger Alternativen zum Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft?
Unterschrift(en):
LTAbg. Mag. Alexander Pinter (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne), LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Dipl.-Ing.(FH) Lara Köck (Grüne), LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne)