EZ/OZ: 1787/2
Schriftliche Anfragebeantwortung (§ 66 GeoLT)
eingebracht am 17.01.2022, 16:33:13
Zu:
1787/1 Datenschutzwidrige Stigmatisierung von Sozialunterstützungsbeziehenden durch direkte Auszahlung an die Vermieter*innen?
(Schriftliche Anfrage an ein Mitglied der Landesregierung (§ 66 GeoLT))
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne), LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Dipl.-Ing.(FH) Lara Köck (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne), LTAbg. Mag. Alexander Pinter (Grüne)
Regierungsmitglied(er): Landesrätin Mag. Doris Kampus
Beilagen: Anfragebeantwortung
Betreff:
Datenschutzwidrige Stigmatisierung von Sozialunterstützungsbeziehenden durch direkte Auszahlung an die Vermieter*innen?
Die Anfrage vom 15.11.2021, Einl.Zahl 1787/1 der Abgeordneten LTAbg. Veronika Nitsche, MBA, LTAbg. Sandra Krautwaschl, LTAbg. Lambert Schönleitner, LTAbg. Dipl.-Ing.(FH) Lara Köck, LTAbg. Georg Schwarzl und LTAbg. Mag. Alexander Pinter betreffend "Datenschutzwidrige Stigmatisierung von Sozialunterstützungsbeziehenden durch direkte Auszahlung an die Vermieter*innen?" beantworte ich wie folgt:
1. Wird der Wohnbedarfsanteil in der Verwaltungspraxis direkt an Vermieter*innen ausbezahlt oder wird er, da die Mietzahlungen von den Beziehenden “auf Grund bestehender vertraglicher Verpflichtungen“ (Mietvertrag) geleistet werden, an die Beziehenden selbst geleistet?
Vorweg darf ausgeführt werden, dass Zahlungen an Personen, die solche Sachleistungen für Bezugsberechtigte erbringen sowie Kostenerstattungen für Zahlungen für solche Sachleistungen, die auf Grund bestehender vertraglicher Verpflichtungen zu leisten sind oder bereits geleistet wurden, als Sachleistungen iSd StSUG gelten.
Dabei wird klargestellt, dass sowohl die unmittelbare Bezahlung entgeltlicher Leistungen an Dritte, bspw. von Wohnkosten an den Vermieter, Stromkosten an ein Versorgungsunternehmen oder die Bezahlung von Kaufpreisen für die Überlassung von Hausrat, als auch die Leistung des Wohnbedarfs an die Partei selbst, als Sachleistung zu werten sind.
Grundsätzlich wird der Wohnbedarfsanteil samt einer allfälligen Wohnkostenpauschale direkt an den Vermieter überwiesen. Wenn dies unwirtschaftlich oder unzweckmäßig ist, kann der Wohnbedarfsanteil samt einem allfälligen Wohnkostenpauschale als Sachleistung auch direkt an den Bezugsberechtigten überwiesen werden.
Dies insbesondere, wenn Vermieter die Direktanweisung durch den Träger der Sozialunterstützung verweigern und/oder die erforderlichen Daten nicht bekannt geben.
Hinsichtlich der Mitwirkungspflicht von Unterkunftgebern gemäß § 14 Abs. 3 StSUG verwiesen.
Ebenso als unzweckmäßig wird die Überweisung des Wohnbedarfsanteil samt einem allfälligen Wohnkostenpauschale an den Vermieter dann angesehen, wenn die Miete mit dem Wohnbedarfsanteil samt einem allfälligen Wohnkostenpauschale nicht gedeckt werden kann. In diesem Fall ist der Wohnbedarfsanteil samt einem allfälligen Wohnkostenpauschale direkt an die Partei anzuweisen.
2. Wenn der Wohnbedarfsanteil (auch) direkt an Vermieter*innen ausbezahlt wird, mit welcher Begründung, aufgrund welcher Notwendigkeit geschieht dies und wie wird diese Notwendigkeit ermittelt?
Die Fragen 2 und 4 dürfen gemeinsam beantwortet werden:
Bereits § 3 Abs. 5 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) normiert einen Vorrang von Sachleistungen, der insbesondere in Bezug auf die Befriedigung des Wohnbedarfs gelten soll. Die begriffliche Unterscheidung zwischen Geld- und Sachleistungen orientiert sich am Sozialversicherungsrecht.
Das Wesen der Sachleistung besteht darin, dass der Bezugsberechtigte weder mittelbar noch unmittelbar Geld empfängt, sondern durch Sachleistungen versorgt wird. Als Sachleistung gilt somit auch die unmittelbare Bezahlung entgeltlicher Sachleistungen an Dritte, beispielsweise allgemeine Wohnkosten an den Vermieter einer Wohnung, Stromkosten an ein Versorgungsunternehmen oder die Bezahlung von Kaufpreisen für die Überlassung von Hausrat.
Diese grundsatzgesetzlichen Vorgaben wurden in § 8 Abs. 1 StSUG näher ausgeführt.
Überdies normiert § 3 Abs. 5 neben dem Vorrang von Sachleistungen auch eine Verpflichtung zur Auszahlung von Sachleistungen, wenn die Landesgesetzgebung auch eine Wohnkostenpauschale vorsieht.
Werden Leistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs zur Gänze in Form von Sachleistungen erbracht, gebührt gemäß § 8 Abs. 6 StSUG Bezugsberechtigten zusätzlich ein Wohnkostenpauschale in Höhe von maximal 20% des Höchstsatzes gemäß Abs. 3 Z 1 bzw. Abs. 4 Z 1, das ebenfalls in Form einer Sachleistung gewährt wird.
Aufgrund dieser grundsatzgesetzlichen Verpflichtungen wurden die im StSUG normierten Ausführungsbestimmungen normiert.
3. Falls der Wohnanteil in manchen Fällen direkt an Vermieter*innen und in anderen Fällen an die Beziehenden selbst geleistet wird, wie hoch ist der Anteil jener Fälle, in denen direkt an die Vermieter*Innen geleistet wird (bitte um Auflistung nach Bezirken)?
Aufgrund der Tatsache, dass das StSUG erst seit 1. Juli 2021 in Kraft ist und bis zum 31. Dezember 2021 noch eine Übergangsphase vorliegt (aufgrund der Weitergeltung der laufenden Bescheide der Bedarfsorientierten Mindestsicherung), kann nur auf die derzeit vorhandenen Zahlen verwiesen werden. Diese Zahlen lassen noch keine endgültige Beurteilung der Lage zu.
Die Auswertung vom Oktober 2021 ergibt folgendes Bild:
Bezirk
|
Zahlung direkt an den Vermieter
|
BHBM
|
156
|
BHDL
|
13
|
BHGU
|
42
|
BHHF
|
18
|
BHLB
|
31
|
BHLI
|
56
|
BHLN
|
12
|
BHMT
|
60
|
BHMU
|
7
|
BHSO
|
40
|
BHVO
|
3
|
BHWZ
|
1
|
Stadt Graz
|
58
|
Gesamt
|
497
|
4. Wenn der Wohnbedarfsanteil (auch) direkt an Vermieter*innen ausbezahlt wird, wie wird dies angesichts der von epicenter.works in der Stellungnahme vom 08.07.2021 vorgebrachten Bedenken datenschutzrechtlich gerechtfertigt?
Siehe Antwort auf Frage 2.
5. Falls der Wohnbedarfsanteil ausschließlich direkt an Vermieter*innen ausbezahlt wird, weshalb wird nicht von der in § 8 Abs 1 StSUG normierten Möglichkeit, die den Beziehenden aufgrund eines bestehenden Mietvertrags entstandenen Mietkosten zu erstatten (weshalb die Zahlung dann ebenfalls als Sachleistung gilt), Gebrauch gemacht?
Siehe Antwort auf Frage 1.
6. Wurden im Wege eines Erlasses nähere Vorgaben zur Leistung des Wohnanteils erstellt und wenn ja, wie lauten diese?
Siehe Antwort auf Frage 1.
7. Wie werden die von epicenter.works in der Stellungnahme vom 08.07.2021 vorgebrachten datenschutzrechtlichen Einwände gegen § 14 StSUG gerechtfertigt?
In den §§ 14 und 23 StSUG werden die Bezirksverwaltungsbehörden ermächtigt, zum Zweck der Prüfung der Unterstützungswürdigkeit der Bezugsberechtigten, der Gewährung, Ablehnung, Kürzung und Einstellung von Sozialunterstützungsleistungen, des Kostenersatzes sowie der Kontrolle eines rechtmäßigen Leitungsbezuges die gesetzlich angeführten personenbezogenen Datenarten automatisiert zu verarbeiten.
Grundlage für diese Datenverarbeitung ist Art. 9 Abs. 2 lit. g DSGVO („die Verarbeitung ist auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats, das in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht, den Wesensgehalt des Rechts auf Datenschutz wahrt und angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vorsieht, aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich“).
Öffentliches Interesse ist grundsätzlich ein Interesse der gesamten Bevölkerung oder größeren Teilen davon bzw. der sozialen Gemeinschaft. Ein solches öffentliches Interesse kann sich auch auf bestimmte Gruppen oder Personen beziehen, wenn dieses spezifische zugleich auch ein allgemeines Interesse darstellt. So ist die Bereitstellung der Existenzgrundlagen für alle Menschen zugleich ein individuelles wie ein kollektives (öffentliches) Interesse, zB die Verarbeitung für humanitäre Zwecke.
Öffentliches Interesse kann alles sein, was der Gemeinschaft dient; so auch die Sicherstellung der öffentlichen Gesundheit und der sozialen Fürsorge.
Die in § 14 StSUG normierten Mitwirkungspflichten stellen überdies lediglich Konkretisierungen der in Art. 22 B-VG normierten Amtshilfe dar. Daher sind diese Mitwirkungspflichten schon aus diesem Grund datenschutzrechtlich gerechtfertigt.