EZ/OZ: 1325/1
Schriftliche Anfrage an ein Mitglied der Landesregierung (§ 66 GeoLT)
eingebracht am 15.04.2021, 12:33:04
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Dipl.-Ing.(FH) Lara Köck (Grüne), LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne), LTAbg. Mag. Alexander Pinter (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Regierungsmitglied(er): Landesrätin Mag. Doris Kampus
Frist: 15.06.2021
Betreff:
Personalsituation in der steirischen Pflege (2)
Im Mai 2019 veröffentlichte die zur „Sicherstellung und Wahrung einer konstant hohen Qualität, Kontinuität und Homogenität in allen Bereichen der Gesundheitsplanung für die Steiermark“ gegründete EPIG GmbH den Endbericht „Bedarf an Pflegepersonal für die Steiermark bis 2025“ als Ergebnis einer vom Land Steiermark in Auftrag gegebene Studie zur prognostischen Abschätzung des Personalbedarfs für die Pflegeberufe nach der Novelle des GuKG im Jahr 2016. Diese hat „die rechtzeitige und richtige Dimensionierung der notwendigen Ausbildungsplätze für alle drei darin umfassten Pflegeberufe“ (Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger*innen, Pflegefachassistent*innen und Pflegeassistent*innen) zum Ziel, „um zukünftige Versorgungslücken zu vermeiden“ (EPIG GmbH, Bedarf an Pflegepersonal für die Steiermark bis 2025, Prognose nach der GuKG-Novelle 2016, Endberichts, https://epig.at/sites/default/files/2020-06/zum%20Bericht_0.pdf). Explizit nicht berücksichtigt wurden bedauerlicher und unverständlicher Weise „die gesamten Sozialbetreuungsberufe“, obwohl diese ua die Gruppe der Heimhelfer*innen umfasst, die in der Studie selbst als für „den Pflegebereich besonders wichtig“ benannt wird, „da diese Berufsgruppe im Team mit der Hauskrankenpflege und den mobilen Diensten“ tätig ist.
Die EPIG GmbH ermittelte zunächst die Anzahl der im Basisjahr 2017 in der Steiermark in den Pflegeberufen tätigen Personen, um diesen Personalstand sodann „anhand der derzeit gültigen Planungsdokumenten für alle Versorgungsbereiche auf den daraus sich ableitenden benötigten Personalstand für das Jahr 2025“ hochzurechnen. Dabei wurden die demografischen Veränderungen ebenso wie Änderungen in den Versorgungskonzepten miteinbezogen. Auf diese Weise wurden für das Jahr 2017 knapp 21.000 Personen oder ca. 16.260 Vollzeitäquivalenten ermittelt, die in der Pflege in allen Berufsgruppen nach dem GuKG tätig waren. Der Großteil dieser Personen (ca. 11.100 Personen bzw. 53 %) arbeitet in Krankenanstalten, die zweitgrößte Gruppe in der stationären Langzeitversorgung (ca. 6.500 Personen oder 30,8 %). „Der Gesamtpersonalbedarf wird 2025 um 1,1 % höher liegen als derzeit und dann etwa bei 21.200 Personen liegen, wenn die strukturellen Veränderungen in der Steiermark den bestehenden und gültigen Planungsdokumenten folgen werden.“ In der gesamten Langzeitpflege wächst der Pflegepersonalbedarf laut Studie bis zum Jahr 2025 um 9,3 %, in der Behindertenbetreuung um 11,6 %.
Auch wenn bereits dieser Zusatzbedarf laut Studie nur unter der Voraussetzung umsetzbar ist, dass die in der Steiermark geplanten strukturellen Anpassungen auch tatsächlich erfolgen werden, so müssen ab 2019 jedenfalls rund 4.400 Personen für die drei Berufsgruppen neu ausgebildet werden, um den bis 2025 notwendigen Personalstand zu erreichen. Explizit wird darauf hingewiesen, dass die Zahl der Ausbildungsplätze größer zu dimensionieren ist, als die Zahl jener, die letztlich im Beruf tatsächlich gebraucht werden, damit Ausbildungsabbrüche und Personen, die zwar war die Ausbildung abschließen, dann jedoch den Pflegeberuf nicht oder erst verzögert ergreifen, kompensiert werden können. Auch ist die noch zu schließende Bedarfslücke auf die drei Berufsgruppen (Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger*innen, Pflegefachassistent*innen, Pflegeassistent*innen) sehr unterschiedlich verteilt. Demensprechend stellt die Studie die jährlich bis ins Jahr 2025 notwendigen Ausbildungsplätze aufgeschlüsselt nach diesen drei Berufsgruppen folgender Maßen fest:
Berufsgruppe
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2019
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2020
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2021
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2022
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2023
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2024
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2025
|
DGKP
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110
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150
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180
|
220
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250
|
290
|
290
|
PFA
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780
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780
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750
|
720
|
680
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640
|
600
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PA
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200
|
200
|
200
|
200
|
200
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250
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300
|
Quelle: EPIG GmbH, Endbericht Bedarf an Pflegepersonal für die Steiermark bis 2025, Zahl der Ausbildungsplätze pro Jahrgang 2019-2025; Berechnung: EPIG GmbH
Im Endbericht der EPIG GmbH wird weiters empfohlen,
- es „sollten Personen in Ausbildung zur Pflegefachassistenz bereits während der Praktika positive Erfahrungen sammeln können, indem sie gemäß ihrem Tätigkeitsfeld eingesetzt werden. Dazu wird es notwendig sein, eine förderliche Arbeitsumgebung zu schaffen, in welcher die Rahmenbedingungen für gute Zusammenarbeit mit dieser neuen Berufsgruppe und gegenseitige Wertschätzung von den Versorgungseinrichtungen gewährleistet werden können“,
- sich in einem ersten Schritt bei der Aufnahme von Personal der Pflegefachassistenz auf die akutstationäre Versorgung und die mobile und stationäre Langzeitpflege zu konzentrieren,
- „Wege zu finden, wie die Behalterate im Beruf gehoben werden kann, um mittelfristig die Fluktuation unter die derzeit weitgehend gültigen 3 % bis 3,5 % drücken zu können“,
- die regionale Streuung der Ausbildungsangebote innerhalb der Steiermark, auch für die Bachelorausbildung – nicht für die Masterausbildung – weiterzuentwickeln, um so „bei mehr Menschen in den Regionen das Interesse für die Ausbildung und den Beruf zu heben.“
Wie bereits dargelegt, blieben im Endbericht der EPIG GmbH „die gesamten Sozialbetreuungsberufe“ bedauerlicher Weise unberücksichtigt. In Hinblick auf die besondere Bedeutung dieser Berufsgruppe für den Pflegebereich erscheint jedoch sowohl eine Erhebung des Ist-Standes als auch eine Bedarfsprognose für eine gezielte Planung der zukünftigen Pflegestrukturen unabdingbar. Zwar wird in dem im September 2015 veröffentlichten „Bedarfs- und Entwicklungsplan für pflegebedürftige Personen – Steiermark 2025“ angeführt, dass mit Stichtag 3.12.2013 in allen Einrichtungen der stationären Langzeitpflege „Personal im Ausmaß von 5.026 Vollzeitäquivalenten angestellt“ war. Allerdings wird darin nicht aufgeschlüsselt, welcher konkreten Berufsgruppe das Personal zuzurechnen ist, und zudem stellt der BEP „keine unmittelbaren Prognosen zur Entwicklung der Personalzahlen im Betreuungs- und Pflegebereich der Steiermark fest.“
Darüber hinaus wird im Endbericht der EPIG GmbH wiederholt darauf hingewiesen, dass die dort aufgestellte Personalprognose nur für den Fall zutreffend sein würde, wenn die in der Steiermark geplanten strukturellen Anpassungen auch tatsächlich erfolgen würden. Davon kann jedoch nicht erst seit der Ankündigung, das Leitspital Liezen werde nicht 2025 sondern erst 2027 in Betrieb gehen, keine Rede sein. Wie Zeitungsberichten zu entnehmen war, wurde zudem die ursprünglich vom damaligen Gesundheitslandesrat Mag. Christopher Drexler angedachte Umfunktionierung des LKH Rottenmann in eine Fachhochschule für Gesundheitsberufe und Pflege offensichtlich verworfen (Kleine Zeitung, Leitspital mit neuem Grund und Zeitplan, 25.03.2021).
Dazu kommen Berichte, dass der im Jahr 2015 veröffentlichte Bedarfs- und Entwicklungsplan für pflegebedürftige Personen 2025 (BEP 2025) nicht eingehalten wird. So werden im Bezirk Murtal derzeit zwei Pflegewohnheime mit insgesamt 235 Langzeitpflegebetten (135 Betten in Fohnsdorf-Wasendorf, 100 Betten in St. Peter ob Judenburg) erbaut, obwohl dies laut Kleiner Zeitung gemeinsam mit „kleineren Projekten“ dazu führt, dass die laut BEP 2025 für den Bezirk Murtal vorgesehenen 1.059 Pflegebetten um „gut 250 Betten“ überschritten werden. Weshalb diese zwei Großprojekte bewilligt wurden, obwohl auch der Sozialhilfeverband Murtal in einer Stellungnahme ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass die notwendige Zahl an Planbetten bereits vorhanden sei und einer „derart großen Erweiterung“ wegen „der hohen Kostenbelastung für die Gemeinden“ nicht zugestimmt werden könne, ist keineswegs nachvollziehbar. Der Obmann des Sozialhilfeverbands stellt demgemäß auch zutreffen klar: „Es ist nicht sinnvoll, mehr Pflegeheime hinzustellen, stattdessen sollte das Geld vermehr in Tagesheime und in Unterstützung für pflegende Angehörige fließen“. Gerade zu absurd erscheint es, wenn das Referat für Pflegemanagement laut Kleiner Zeitung bekannt gibt, der BEP 2025 spiele in den praktischen Genehmigungsverfahren für Pflegewohnheime „nur eine Nebenrolle“ (Quelle: Kleine Zeitung, Nach Mangel zu viele Pflegebetten, 09.04.2021).
Schließlich drohen aufgrund der Corona-Krise größere Umwälzungen im Pflegepersonalstand. Viele Pflegekräfte sind nach Monaten der Überlastung am Ende ihrer Kräfte angelangt und denken laut über berufliche Veränderungen nach. Der schon zuvor chronische Personalmangel hat in den vergangenen Monaten dramatische Auswirkungen gezeigt und auch der breiten Öffentlichkeit die großen Schwierigkeiten, vor denen das Pflegesystem steht, vor Augen geführt.
Es wird daher folgende
Schriftliche Anfrage
gestellt:
- Wie viele Pflege- bzw Sozialbetreuungs-Ausbildungsplätze pro Jahrgang gab es in den Jahren 2019, 2020 und 2021 in der Steiermark (bitte um Aufschlüsselung nach Regionen sowie nach Berufsgruppe nach dem GUKG und dem Steiermärkischen Sozialbetreuungsberufegesetz StSBBG)?
- Wie viele Pflege- bzw Sozialbetreuungs-Ausbildungsplätze waren in den Jahren 2019, 2020 und 2021 belegt (bitte um Aufschlüsselung nach Regionen sowie nach Berufsgruppe nach dem GUKG und dem Steiermärkischen Sozialbetreuungsberufegesetz StSBBG)?
- Wie viele Pflege- bzw Sozialbetreuungs-Ausbildungsplätze sind seit 2019 weggefallen (bitte um Aufschlüsselung nach Regionen sowie nach Berufsgruppe nach dem GUKG und dem StSBBG)?
- Werden derzeit von der Landesregierung Maßnahmen gesetzt, um zusätzliche Pflege- bzw Sozialbetreuungs-Ausbildungsplätze zu schaffen? Wenn Ja, wie viele Ausbildungsplätze werden pro Jahr bis 2025 geschaffen (Bitte um Aufschlüsselung nach Regionen sowie nach Berufsgruppe nach dem GUKG und dem StSBBG und um Darlegung, aus welchen Mitteln der Ausbau finanziert wird und wie hoch diese Mittel jährlich seit 2019 sind)? Wenn Nein, weshalb nicht?
- Werden derzeit von der Landesregierung Maßnahmen getroffen, um Personen, in etwa Arbeitssuchenden, einen Anreiz für eine Ausbildung im Pflegebereich zu bieten? Wenn Ja, wie sind diese Anreize ausgestaltet, aus welchen Mitteln werden diese finanziert und wie hoch sind diese jährlich seit 2019? Wenn nein, weshalb nicht und sind solche geplant?
- Wie hoch ist das Budget für die im Jänner 2021 gestartete Kampagne „Zeit für Pflege“?
- Wie hoch ist die Trop-Out-Rate während der Pflege- bzw Sozialbetreuungs-Ausbildung (bitte um Aufschlüsselung nach Berufsgruppe nach dem GUKG und dem StSBBG)?
- Wie hoch ist die Rate jener Personen, die die Pflege- bzw Sozialbetreuungs-Ausbildung zwar abschließen, dann jedoch den Pflegeberuf nicht oder erst verzögert ergreifen (bitte um Aufschlüsselung nach Berufsgruppe nach dem GUKG und dem StSBBG)?
- Werden derzeit Maßnahmen gesetzt, damit Absolvent*innen der Pflegeausbildung ihren Arbeitseinstieg verstärkt in der mobilen und/oder stationären Langzeitpflege machen? Wenn Ja, welche? Wenn Nein, sind solche Maßnahmen geplant?
- Welche Maßnahmen wurden von der Landesregierung seit Veröffentlichung des Endberichts der EPIG GmbH gesetzt, damit im Sinne des Endberichts „die Behalterate im Beruf gehoben werden kann, um mittelfristig die Fluktuation unter die derzeit weitgehend gültigen 3 % bis 3,5 % drücken zu können“ und wurde dieses seither gedrückt?
- Wie viele Personen haben in den Jahren 2019, 2020 und 2021 ihr Dienstverhältnis im Pflegeberuf aufgelöst (bitte um Aufschlüsselung nach Berufsgruppen nach dem GUKG und dem StSBBG)?
- Werden derzeit Maßnahmen gesetzt, um die Wiedereinstiegsrate in den Pflegeberuf zu attraktivieren? Wenn Ja, welche? Wein Nein, sind solche Maßnahmen geplant?
- Liegen der Landesregierung neben dem Endbericht der EPIG GmbH noch weitere Pflegepersonalbedarfsprognosen für die Steiermark vor? Wenn ja, stimmen diese mit der Prognose der EPIG GmbH überein und wird darin auch der Bedarf an Sozialbetreuer*innen prognostiziert?
- Wie wird sich die um zwei Jahre verzögerte Inbetriebnahme des Leitspitals Liezen auf den von der EPIG GmbH prognostizierten Mehrbedarf von Pflege-Ausbildungsplätzen auswirken?
- Welche alternativen Ausbildungsstätten sind zu der vom ehemaligen Gesundheitslandesrat Mag. Christopher Drexler angedachten und nun laut Medienberichten nicht mehr vorgesehenen Fachhochschule für Gesundheitsberufe und Pflege in Rottenmann geplant und wo sollen diese wann eingerichtet werden?
- Welche Maßnahmen wurden von der Landesregierung seit Veröffentlichung des Endberichts der EPIG GmbH gesetzt, um im Sinne des Endberichts „eine förderliche Arbeitsumgebung zu schaffen, in welcher die Rahmenbedingungen für gute Zusammenarbeit mit dieser neuen Berufsgruppe [Anm: Pflegefachassistenz] und gegenseitige Wertschätzung von den Versorgungseinrichtungen gewährleistet werden können“?
- In welchen Bereichen der Pflege wird Personal der Pflegefachassistenz derzeit in welchem Ausmaß eingesetzt?
- Wie viele nach dem StSBBG ausgebildete Personen arbeiten derzeit in der Langzeitpflege (bitte um Aufschlüsselung in stationäre Langzeitpflege und mobile Betreuung)?
- Wie viele nach dem StSBBG ausgebildete Personen werden in der Langzeitpflege in den kommenden Jahren zusätzlich benötigt (bitte um Aufschlüsselung nach Regionen bis ins Jahr 2025)?
Unterschrift(en):
LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Dipl.-Ing.(FH) Lara Köck (Grüne), LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne), LTAbg. Mag. Alexander Pinter (Grüne)