LANDTAG STEIERMARK
XVIII. GESETZGEBUNGSPERIODE


EZ/OZ: 1329/1

Schriftliche Anfrage an ein Mitglied der Landesregierung (§ 66 GeoLT)

eingebracht am 16.04.2021, 11:56:24


Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Dipl.-Ing.(FH) Lara Köck (Grüne), LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne), LTAbg. Mag. Alexander Pinter (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Regierungsmitglied(er): Landesrätin Mag. Ursula Lackner
Frist: 16.06.2021

Betreff:
Klimaschutz jetzt!

Wie hinlänglich bekannt müssen innerhalb der EU nach angepasstem Zielwert bis zum Jahr 2030 55 % des CO2-(Äquivalent-) Ausstoßes reduziert werden. Österreich strebt im Sinne einer ambitionierten und fortschrittsorientierten Klimapolitik eine bilanzielle Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 (zehn Jahre früher als derzeit EU-Ziel) an (vgl Regierungsprogramm 2020–2024). Damit können die Klimaziele der Steiermark, konkretisiert in der Klima- und Energiestrategie 2030 (KESS) nicht Schritt halten. Denn darin wird bis zum Jahr 2030 ein Ziel von -36 % angestrebt, während Klimaneutralität als konkretes Ziel gar nicht konkret avisiert wird. Nach wissenschaftlicher Fachmeinung wäre im Übrigen bis 2030 eine Reduktion von 65 % notwendig. Die steirischen Ziele können also mit dem österreichischen und EU-weiten Prozess nicht mehr mithalten.

Höchst fraglich ist überdies, wie die ohnehin wenig ambitionierten Ziele überhaupt erreicht werden sollen. Denn es fehlt an konkreten Maßnahmen. Allein schon die Entwicklung des Energieverbrauches in der Steiermark zeigt auf, wie verfehlt die steirische Klimapolitik bisher ist. Ein paar Förderungen hier und ein paar gedrehte Schräubchen dort sind eben nicht genug. Es werden gerade einmal längst überfällige Mindeststandards eingehalten. So etwa liegt aktuell erst ein Entwurf zu einer Novelle des Stmk Baugesetzes vor, wonach die Gebäudeeffizienzrichtlinie (RL 2010/31/EU) – nach über zehn Jahren Zeit, acht Jahren Verspätung und überhaupt erst nach Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens – endlich umgesetzt werden soll. Das Flickwerk an zu wenigen und teils nicht zusammenhängenden Maßnahmen, kombiniert mit Lippenbekenntnissen und Schein-Maßnahmen wird uns nicht retten. Es braucht ein Gesamtkonzept aus ambitionierten Zielen mit einem konsistenten Maßnahmenpaket. Die Grünen stehen der Landesregierung hierbei gerne zur Seite.

Auf Bundesebene etwa steht ein komplexes Fördergesetz bisher nie da gewesenen Ausmaßes vor dem Inkrafttreten, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG). Seit September 2020 ist bekannt, dass darin ua Photovoltaik-Anlagen auch im Freiland (mit Abschlag) gefördert werden. Ebenso bekannt ist, dass solche Anlagen auf unbebauten Flächen zu vergleichsweise geringen Kosten errichtet werden können. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Widmung; diese ist derzeit mittels Sondernutzung – ohne weiteres Reglementarium – durch die Gemeinden im Flächenwidmungsplan jederzeit schaffbar. Schon ohne eigene Förderung ist der Druck auf Landwirt*innen enorm, insbesondere wertvolle Ackerflächen an Energieunternehmen zu verpachten. Bis dato wurde weder das Stmk Raumordnungsgesetz an die bereits geänderten Bedürfnisse angepasst noch das angekündigte Sachprogramm Erneuerbare Energie erlassen. Dabei liegt ein Gesetzesentwurf der Grünen vor, der einer Lebensmittel-Konkurrenz bei gleichzeitiger Ermöglichung innovativer Doppelnutzungen ermöglichen würde. Aber auch an anderen Stellen der Raumordnung hinkt das Land Steiermark hinterher. So ist die Steiermark negative Spitzenreiterin in Sachen Flächeninanspruchnahme. Allein im Jahr 2019 lag der Wert bei 14,1 km2, gefolgt vom weit abgeschlagenen Bundesland Oberösterreich mit 7,6 km2 und von Niederösterreich mit 6,9 km2. Versiegelt wurden in den letzten fünf Jahren ca 10,4 km2. Zur Verdeutlichung: In der Steiermark werden täglich (!) ca 3,9 ha Boden verbaut, was einer Fläche von mehr als fünf Fußballfeldern entspricht. Eine derart massive Boden-Verschwendung hat natürlich katastrophale Auswirkungen auf die Artenvielfalt und das Klima. Durch die Versiegelung kommt es unmittelbar zu schlechter Auffüllung von Grundwasser-Speichern und bei Regenereignissen viel schneller zu Hochwassergefahr. Die Verdunstung von Wasser aus dem Boden wird verhindert, weshalb es im Sommer zu unerträglicher Hitze kommt. Darüber hinaus verursacht diese Bodenverschwendung unmittelbar die Verringerung von wertvoller Ackerfläche. So etwa wurde die verfügbare Ackerfläche österreichweit von 2.400 km2 im Jahr 1950 auf inzwischen nur noch 1.600 km2 reduziert. (s https://www.umweltbundesamt.at/umweltthemen/boden/flaecheninanspruchnahme und http://datablog.fh-joanneum.at/2020/die-steiermark-verliert-den-boden-unter-den-fuessen/#:~:text=Im%20%C3%B6sterreichischen%20Bundesl%C3%A4ndervergleich%20ist%20die,Gesamtfl%C3%A4che%20von%2016.398%2C76%20Quadratkilometer. und sogar die Krone berichtete darüber: https://www.krone.at/2342227).

Diese Probleme sind hausgemacht! Die Lösung liegt in einer zukunftsorientierten Raumordnung und damit auch in einer längst überfälligen Anpassung der Ziele und Grundsätze im Raumordnungsgesetz. Die Aufgaben der überörtlichen Raumplanung müssen endlich wirkungsvoll wahrgenommen werden. Denn bei einem dermaßen eklatanten Versiegelungs-Problem der Steiermark darf nicht weiter zögerlich zugeschaut werden. In die Kategorie der verfehlten überörtlichen Raumordnung fällt im Übrigen auch das Beispiel „Amazon-Standort Liebenau“. Längst hätten die Raumplanungsinstrumente des Landesentwicklungsplans und des regionalen Entwicklungsprogramms den geänderten Entwicklungen und Bedürfnissen angepasst werden müssen. Ein weiteres, allseits bekanntes und wirklich bezeichnendes Beispiel für das Versagen der überörtlichen Raumplanung stellt darüber hinaus die Shopping City Seiersberg dar. Dass nun im Jahr 2020 auch noch eine Einzelstandortverordnung zur Legalisierung des vorhandenen, sämtliche Grundlagen der Raumordnung ignorierenden Zustands erlassen wurde, verdeutlicht die offensichtliche Kapitulation vor den Interessen Einzelner. Zum Wohle er nächsten Generationen muss die Landesregierung dringend die offensichtlich entglittenen Zügel wieder aufnehmen.


Es wird daher folgende

Schriftliche Anfrage

gestellt:

  1. Wann wird die Klima- und Energiestrategie der Steiermark an die Ziele der EU und des Bundes angepasst?
  2. Welche konkreten Maßnahmen wurden bereits vollständig umgesetzt, um den Treibhausgas-Emissionen im Ausmaß von 36 % bis zum Jahr 2030 wirkungsvoll zu reduzieren?
  3. Welche zusätzlichen, konkreten Maßnahmen sind geplant, um eine bilanzielle Klimaneutralität bei Treibhausgasemissionen bis 2040 zu erreichen?
  4. Wieviele und welche klima- und energierelevanten Strategiepapiere gibt es derzeit überhaupt bzw welche sind konkret in Planung (Auflistung)?
  5. Welche Neuerungen sind für den Aktionsplan 2022–2024 in Vorbereitung?
  6. Wieviele und welche klima- und energierelevanten Förderungen und Beihilfen gibt es derzeit bzw welche sind konkret in Planung (Auflistung)?
  7. Welche wissenschaftlichen Prognosen des Energiebedarfs/Energieverbrauchs liegen der Landesregierung für die Jahre bis 2040 vor?
  8. Welche Entwicklung des Energiebedarfs/Energieverbrauchs in der Steiermark wird in den kommenden Jahren bis 2040 prognostiziert (jährlich)?
  9. Wie sähe diese Prognose aus, wenn (ausschließlich) die bereits gesetzten Maßnahmen (Gesetze, Förderungen udgl) weiterhin beibehalten werden würden?
  10. Durch welche konkreten Maßnahmen soll die notwendige Reduktion des Energiebedarfs/Energieverbrauchs erreicht werden?
  11. Welche Vorkehrungen wurden bis dato im Steiermärkischen Raumordnungsgesetz bis jetzt vorgenommen bzw sind konkret geplant, um dem anhaltenden Problem der grassierenden Bodenvernichtung zu begegnen?
  12. Welche überörtlichen Raumplanungsinstrumente (Landesentwicklungsprogramm, Sachprogramme, regionale Entwicklungsprogramme) sollen 2021 geändert werden, um dem anhaltenden Problem der grassierenden Bodenvernichtung zu begegnen?
  13. Welche rechtlichen Änderungen durch Landesgesetz und Verordnungen wurden seit September 2020 getroffen, um sich auf das Inkrafttreten des EAG vorzubereiten?
  14. Welche Änderungen im Steiermärkischen Raumordnungsgesetz sind konkret zur Vorbereitung des EAG im Land Steiermark bereits in Ausarbeitung?
  15. Wann wird das groß angekündigte Sachprogramm Erneuerbare Energien endlich in Kraft treten?
  16. Wie ist der aktuelle Status der Ausarbeitung des Klimachecks?
  17. Mit welcher Methodik sollen die Klimachecks für Gesetze, Verordnungen, Förderungen stattfinden?
  18. Wieviele Photovoltaik-Anlagen werden derzeit vom Land Steiermark direkt betrieben? Welche Gesamt-Kollektorenfläche wird dadurch erreicht?
  19. Wie entwickelte sich die Gesamt-PV-Kollektorenfläche in den letzten fünf Jahren (2016–2020)?
  20. Welche Entwicklung dieser Gesamt-PV-Kollektorenfläche ist für die nächsten fünf Jahre (2021–2025) konkret geplant?

Unterschrift(en):
LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Dipl.-Ing.(FH) Lara Köck (Grüne), LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne), LTAbg. Mag. Alexander Pinter (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne)