EZ/OZ: 1270/1
Schriftliche Anfrage an ein Mitglied der Landesregierung (§ 66 GeoLT)
eingebracht am 30.03.2021, 10:20:51
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Mag. Stefan Hermann, MBL (FPÖ), LTAbg. Patrick Derler (FPÖ), LTAbg. Helga Kügerl (FPÖ), LTAbg. Mario Kunasek (FPÖ), LTAbg. Albert Royer (FPÖ), LTAbg. Ewald Schalk (FPÖ), LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ)
Fraktion(en): FPÖ
Regierungsmitglied(er): Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer
Frist: 31.05.2021
Betreff:
Prüfungen von Gemeindeverbänden durch die zuständige Gemeindeaufsicht
Der Zusammenschluss von Gemeinden in Verbänden zur Abwicklung komplexerer Aufgaben ist in der Steiermark nichts Ungewöhnliches. Von Abwasserverbänden, Sozialhilfeverbänden, Abfallwirtschaftsverbänden bis hin zu regionalen Zusammenschlüssen findet sich eine Vielzahl derartiger Konstrukte in der Grünen Mark. Problematisch stellt sich jedoch die regelmäßige Kontrolle dieser Gemeindeverbände dar. Immer wieder kommt es zu Enthüllungen, von verschwundenen Geldern bis zu umfassenden Fehlinvestitionen findet sich eine lange Liste an Berichten in der Medienlandschaft der vergangenen Jahre. Besondere Brisanz erhalten derartige Bekanntmachungen dadurch, dass es sich bei den Finanzmitteln von Gemeindeverbänden bekannterweise um Steuergelder handelt und der Umgang damit einer besonderen Sorgfaltspflicht unterliegt.
Dass es sich dabei um kein neues Problembild handelt, beweist ein Fall aus dem Jahr 2015. Damals wurde bekannt, dass im neu fusionierten Soziahilfeverband Bruck-Mürzzuschlag zwei Millionen Euro verschwunden waren. Konkret heißt es in einer Berichterstattung der „Kleinen Zeitung“ vom 21. März 2015 dazu: „Entstanden ist diese ‚Zahlwegsdifferenz‘ von zwei Millionen durch die Fusion der Sozialhilfeverbände Bruck und Mürzzuschlag und den Umstieg auf ein gemeinsames Konto. Der Verbleib des Geldes war unklar, klar war nur, dass es sich um Geld handelt, das dem ‚alten‘ SHV Bruck zuzurechnen ist. Was Richter [Anm.: Kassier des AWV] zusätzlich sauer aufstößt: Die zwei Millionen werden nun in mehreren Tranchen durch Eigenkapitalentnahme aus dem Wirtschaftsbetrieb des fusionierten SHV, also den Heimen, auf das Konto des SHV gebucht. Denn eine Ausbuchung würde zu einer Erhöhung der SHV-Umlage führen, sprich: die Gemeinden des ehemaligen SHV Bruck müssten die Differenz begleichen.“ (Quelle: Kleine Zeitung, 21. März 2015, Seite 28)
Im Februar 2020 berichtete abermals die „Kleine Zeitung“ über eine Pflegeheim-Rechungshofprüfung, welche durch den Fohnsdorfer Vizebürgermeister Kienzl angestoßen wurde. Dieser hatte ins Treffen geführt, dass die öffentliche Hand für Leistungen bezahle, welche gar nicht erbracht würden. Konkret handelte es sich um Zahlungen des Sozialhilfeverbandes Murtal an Pflegeheime. „Der Rechnungshof bestätigt die von Kienzl kritisierten Schwachstellen: zu geringe Abschreibungsdauern, zu hoch angenommene Errichtungskosten, die Verrechnung von Gemeinkosten für Buchhaltung oder Heimleitung und Kosten für Fremdleistungen wie Küche, Wäscherei und Reinigung. Gutachten zeigten, ‚dass nicht sichergestellt war, dass die Heime alle Leistungen wie kalkuliert erbrachten‘“, hieß es dazu konkret. (Quelle: Kleine Zeitung, 15. Februar 2020, Seite 23)
Am Beginn des Jahres 2021 wurde durch Medienberichte bekannt, dass eine 17 Millionen Euro teure Naturgasanlage (NGS) des Abwasserverbandes Leibnitzerfeld-Süd seit langem Probleme bereitet und seit 2019 gänzlich stillsteht. Karl Wratschko, Bürgermeister von Gamlitz und als Obmann des Abwasserverbandes Leibnitzerfeld-Süd auch Eigentümervertreter der NGS, bestätigte die Berichte. Die Anlage sei wegen technischer Probleme nie voll gelaufen. Ebenso werden die kolportierten Projektkosten von rund 17 Millionen Euro von Wratschko nicht in Abrede gestellt. Es handle sich dabei um Bankdarlehen und Förderungen. Die Gemeinden selbst haben kein Steuergeld zugeschossen. Befürchtungen, wonach die Haftungen für den AWV und letztlich die Gemeinden schlagend werden könnten, habe der Bürgermeister nicht. (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/suedsuedwest/5931185/Technische-Probleme_17-Millionen-Euro-teure-Naturgasanlage-steht) Mehrere Sitzungsprotokolle lassen die von Bürgermeister Wratschko getätigten Aussagen jedoch in einem gänzlich anderen Licht erscheinen. So berichtete der Bürgermeister im Rahmen einer Gemeinderatssitzung der Marktgemeinde Gamlitz am 13. März 2014 darüber, dass am selben Tag eine Sitzung des AWV stattgefunden hat und die Vergasungsanlage auf einem guten Weg sei sowie, dass die Gemeinden keinerlei Ausfallshaftung übernehmen würden. In krassem Widerspruch dazu steht eine Aussage des stellvertretenden Kassiers des AWV im Rahmen einer Vorstandssitzung am 16. Dezember 2020. Kurz vor Bekanntwerden des Desasters hatte man im Vorstand über die möglichen weiteren Vorgehensweisen diskutiert. Kassier-Stellvertreter und Bürgermeister von St. Veit in der Südsteiermark Gerhard Rohrer berichtete in der Sitzung folgendes: „Es wurde auch über die Konkursmöglichkeit für die NGS in den Sitzungen diskutiert, dies ist nicht möglich, da die Gemeinden hierfür haften.“ Ebenso erklärt Rohrer, dass derzeit noch das aufgenommene Darlehen in der Höhe von 15 Millionen Euro zurückgezahlt werden muss. Die Auswirkungen lesen sich im Protokoll wie folgt: „Weiter erklärt Herr Bgm. Rohrer, dass im worst case, bei Umwälzung der Kosten auf die Bürger, eine Erhöhung von ca. € 25,-- bis € 30,--, Erhöhung des EW-Satzes [sic!]“. Am Ende könnten also auch hier die Bürger die Leidtragenden einer verfehlten Investitionspolitik sein.
Kurz darauf sorgte der Abfallwirtschaftsverband Liezen für Aufregung. Dort wurde der Geschäftsführer des AWV Liezen „suspendiert und mittels Anwalt aus dem Büro verwiesen“, wie etwa die „Kleine Zeitung“ in ihrem Onlinebericht am 4. Februar 2021 titelte. In einer kurzfristig anberaumten Vorstandssitzung am 2. Februar dieses Jahres war die sofortige Suspendierung des AWV-Geschäftsführers beschlossen worden. Er habe „Vergaben gemacht, für die die Beschlüsse des Vorstandes fehlen“. Der AWV-Obmann Armin Forstner, ÖVP-Bürgermeister von St. Gallen und Landtagsabgeordneter, bestätigt, dass nun „gewisse Vorgänge“ geprüft werden sollen. Ins Rollen gebracht hat das Verfahren der SPÖ-Bürgermeister von Landl, Bernhard Moser, der seit November 2020 Obmann-Stellvertreter des AWV Liezen ist. Dieser bekräftigt, dass bei Durchsicht der Unterlagen durch den neuen Gemeindevorstand „gewisse Auffälligkeiten“ in der Buchhaltung sichtbar geworden sind. Diese Vorgänge sollen nun aufgeklärt werden. (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/ennstal/5932696/Mit-Anwalt-aus-Buero-verwiesen_Knalleffekt_AWVGeschaeftsfuehrer)
Es finden sich jedoch auch durchaus kuriose Vorgänge rund um Gemeindeverbände in den Archiven der Tageszeitungen wieder. So musste sich beispielsweise die „Kleinregion Bezirk Mürzzuschlag“ im Juni 2017 auflösen, weil sie seit mehr als vier Jahren nicht mehr getagt hatte. Auch der Prüfungsausschuss der Region war das letzte Mal im Jahr 2013 zusammengetreten – ein klarer Satzungsverstoß, sehen diese doch vor, dass zumindest eine Verbandsversammlung jährlich stattzufinden habe. Die Gemeinderäte der betroffenen Gemeinden wurden zu einer Sitzung geladen, um über die Auflösung des Verbandes abzustimmen. Zuvor musste jedoch ein neuer Obmann gewählt werden, denn der bisherige, der frühere Mitterdorfer Bürgermeister Walter Berger, war längst aus allen politischen Ämtern ausgeschieden.
So sinnvoll die Bündelung gemeinsamer Interessen auf kommunaler Ebene im Rahmen von Gemeindeverbänden also scheint, so eindringlich wird auch die Notwendigkeit von effizienten Kontrollmechanismen aufgrund der zahlreichen Verfehlungen der letzten Jahre vor Augen geführt. Die gegenständliche Anfrage soll klären, wie es um die Prüfung von Gemeindeverbänden durch die Gemeindeaufsicht bestellt ist.
Es wird daher folgende
Schriftliche Anfrage
gestellt:
- Wie oft kam es in den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020 zu Überprüfungen von Gemeindeverbänden durch die Gemeindeaufsicht (aufgeschlüsselt nach Jahr und Anzahl der Überprüfungen)?
- Um welche Verbände handelte es sich dabei konkret (aufgeschlüsselt nach Jahr und Anzahl der Überprüfungen)?
- Nach welchen Kriterien wurden Gemeindeverbände zur Überprüfung ausgewählt?
- Welche Erkenntnisse wurden aus diesen Überprüfungen gewonnen?
- Kam es im Rahmen der Überprüfungen zu Anzeigen gegen handelnde Personen in den Gemeindeverbänden?
- Gibt es Überlegungen, die Kontrollen von Gemeindeverbänden durch die Gemeindeaufsicht zu intensivieren?
- Wenn ja, wie gestalten sich diese konkret?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wie viele Aufsichtsbeschwerden in Bezug auf Gemeindeverbände sind in den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020 bei der Gemeindeaufsicht eingelangt (aufgeschlüsselt nach Jahr und Anzahl der Beschwerden)?
- Welche konkreten Vorwürfe hatten diese Beschwerden zum Inhalt?
- Wie viele Überprüfungen wurden aufgrund von eingelangten Aufsichtsbeschwerden in den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020 durchgeführt (aufgeschlüsselt nach Jahr und Anzahl der Überprüfungen)?
- Welche Erkenntnisse wurden aus diesen Überprüfungen gewonnen?
Unterschrift(en):
LTAbg. Mag. Stefan Hermann, MBL (FPÖ), LTAbg. Patrick Derler (FPÖ), LTAbg. Helga Kügerl (FPÖ), LTAbg. Mario Kunasek (FPÖ), LTAbg. Albert Royer (FPÖ), LTAbg. Ewald Schalk (FPÖ), LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ)