EZ/OZ: 2686/1
Schriftliche Anfrage an ein Mitglied der Landesregierung (§ 66 GeoLT)
eingebracht am 25.11.2022, 09:39:07
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne), LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne), LTAbg. Andreas Lackner (Grüne)
Fraktion(en): Grüne
Regierungsmitglied(er): Landesrätin Mag. Ursula Lackner
Frist: 25.01.2023
Betreff:
Wasserkraftwerk am Thörlbach
Laut aktuellem Energiebericht des Landes Steiermark 2021 wird ca. 78% des gesamten – aus erneuerbaren Energien erzeugten – Stroms aus Wasserkraftwerken bereitgestellt. 2012 wurden die Großwasserkraftwerke (> 10MW installierte Leistung) Gössendorf (Leistung von 18,7MW) und Kalsdorf (18,5MW) und Ende 2019 das Murkraftwerk Graz (17,7MW) in Betrieb genommen. Wie viele Kleinwasserkraftwerke es insgesamt gibt, ist nicht bekannt. Der Energiebericht bezieht sich auf Daten der Energie-Control, die von 578 laut Herkunftsnachweisdatenbank ausgeht (Energiebericht S. 44). Laut der LR Seitinger zugeordneten Wasserwirtschaftsabteilung des Landes Steiermark ist diese Zahl aber zu gering (siehe Beantwortung einer Anfrage der Grünen EZ/OZ: 1882/2).
Die Klima- und Energiestrategie 2030 (KESS 2030), die im Jänner 2018 im Landtag beschlossen wurde, legt ein ausbaufähiges Restpotenzial für Wasserkraft-Sanierungsprojekte mit rund 150 GWh/a fest. Im Zuge der Erstellung der Gewässerbewirtschaftungskonzepte werden ebenfalls Revitalisierungspotentiale an bestehenden Anlagen analysiert und aufgezeigt. Vielfach wurden diese unter gleichzeitiger ökologischer Verbesserung der betroffenen Gewässerstrecken im Zuge von Revitalisierung der Kleinkraftwerke genutzt (siehe Beantwortung einer Anfrage der Grünen EZ/OZ 1593/1).
Bereits 1896 wurde einem Kraftwerk am Thörlbach, KW St. Martin, das Wasserrecht verliehen. 2001 kam es zu einer neuerlichen wasserrechtlichen Bewilligung (Quelle: Wasserbuch des Landes Steiermark). 2019 wurde das 2. Sanierungsprogramm für Fließgewässer verordnet, im Zuge dessen das KW St. Martin laut § 1 Abs. 2 bis spätestens 22. Dezember 2021 die in § 2 festgelegte Maßnahmen umzusetzen hat:
(1) Ausleitungsstrecken sind ganzjährig mit einer Wassermenge entsprechend Anlage 1 (= für das KW St. Martin 0,860 m3/s) zu dotieren. (2) Bei Unterschreitung der Mindestdotationsmenge der Anlage 1 ist entsprechend der Methodik der Anlage G der Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer – QZV Ökologie OG, BGBl. II Nr. 99/2010 nachzuweisen, dass der gute ökologische Zustand bzw. das gute ökologische Potential mit gewährleistet werden kann. Ein entsprechender Nachweis ist von einem dazu Befugten zu erstellen und innerhalb von zwei Jahren ab Inkrafttreten dieser Verordnung der Behörde vorzulegen.
Einem Artikel in der Kleinen Zeitung war nun zu entnehmen, dass sich bei diesem Kraftwerk der Natur- und Umweltschutz querlege und eine komplette Sperre drohe. Die Kraftwerksbetreiber seien aufgrund des Sanierungsprogramms vom Land aufgefordert worden, einen neuen Wasserrechtsbescheid zu erwirken. Das hätte der Kraftwerksbetreiber auch „in Angriff nehmen wollen“, aber dann hätte sich die Naturschutzbehörde eingeschaltet und auch eine neue naturschutzrechtliche Bewilligung gefordert, so der Artikel. Dem Rechtsanwalt des Projektwerbers zufolge, dessen Ansichten im Artikel übernommen werden, „müsse die Naturschutzbehörde einfach die neue Restwassermenge aus dem Wasserrechtsbescheid übernehmen“. Der Anwalt greift die Naturschutzbehörde schließlich scharf an: „Sie fühlt sich überfordert, weiß nicht weiter und hat die heiße Kartoffel an den Verfassungsdienst des Landes weitergereicht.“ Die angegriffene Behörde kommt im Artikel nicht zu Wort.
siehe: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/6209977/Wasserkraft-vs-Umweltschutz_Behoerdenposse-um-Kleinkraftwerk_Nun
Es wird daher folgende
Schriftliche Anfrage
gestellt:
- Nach der Vorschreibung durch das 2. Sanierungsprogramm für Fließgewässer hat das KW St. Martin bis spätestens 22. Dezember 2021 die in § 2 leg cit festgelegte Maßnahmen umzusetzen: Warum wurde diese Maßnahme bisher noch nicht umgesetzt? Bis wann wurde die Frist erstreckt?
- Wie hoch ist die Engpassleistung des Kraftwerks derzeit? Wie hoch soll sie nach der Umsetzung der Maßnahmen (2. Sanierungsprogramm für Fließgewässer) sein?
- Laut Wasserbuch des Landes Steiermark wurde 2001 eine „neuerliche wasserrechtliche Bewilligung“ erteilt. Was waren die Gründe dafür?
- Für das ursprüngliche Projekt gab es keine naturschutzrechtliche Bewilligung. 2001 kam es zu einer neuerlichen wasserrechtlichen Bewilligung. Wurde 2001 auch ein naturschutzrechtliches Verfahren durchgeführt? Wenn nein, warum nicht?
- Laut Wasserbuch ist die Pflichtwasserabgabe zur Dotation der Entnahmestrecke wie folgt einzuhalten: 400 l/s vom 1.3. bis 30.9.; 200 l/s vom 1.10.bis 28.2. Wurde die Einhaltung durch die die Gewässeraufsicht des Landes Steiermark überprüft? Wie oft, mit welchem Ergebnis?
- Welche Bewilligungen wurden aktuell aufgrund des 2. Sanierungsprogramms für Fließgewässer vom Kraftwerksbetreiber beantragt?
- Wird betreffend die neuen Bewilligungen für das Kraftwerk St. Martin der Pflichtwasserleitfaden angewendet? Wenn nein, warum nicht?
- Wurde – wie medial berichtet – der Verfassungsdienst des Landes Steiermark beauftragt, die Angelegenheit betreffend das KW St. Martin zu prüfen? Wie lautet der konkrete Prüfungsauftrag? Gibt es ein Ergebnis bzw. bis wann wird es ein Ergebnis geben?
- Im erwähnten Artikel wurde die Naturschutzabteilung durch den Anwalt des Kraftwerksbetreibers massiv kritisiert. Was halten Sie diesen Vorwürfen entgegen?
- Im 2. Sanierungsprogramm für Fließgewässer (Anlage 1) sind weitere vier Kraftwerke am Thörlbach aufgelistet. Wurden diese KWs bereits saniert bzw. wie ist der Umsetzungstand? Welche Pflichtwassermengen (Dotierwassermenge m3/s) wurden jeweils vorgeschrieben?
Unterschrift(en):
LTAbg. Sandra Krautwaschl (Grüne), LTAbg. Lambert Schönleitner (Grüne), LTAbg. Georg Schwarzl (Grüne), LTAbg. Veronika Nitsche, MBA (Grüne), LTAbg. Andreas Lackner (Grüne)