EZ/OZ: 1176/1
Schriftliche Anfrage an ein Mitglied der Landesregierung (§ 66 GeoLT)
eingebracht am 23.02.2021, 14:28:11
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ), LTAbg. Patrick Derler (FPÖ), LTAbg. Mag. Stefan Hermann, MBL (FPÖ), LTAbg. Helga Kügerl (FPÖ), LTAbg. Albert Royer (FPÖ), LTAbg. Ewald Schalk (FPÖ)
Fraktion(en): FPÖ
Regierungsmitglied(er): Landesrätin Dr. Juliane Bogner-Strauß
Frist: 23.04.2021
Betreff:
Medizinisches Innovationsboard (MIB) der KAGes
Der rasante medizinische Fortschritt ermöglicht zunehmend neue Therapiemöglichkeiten für kranke Menschen. Doch nicht alle Patienten kommen in den Genuss der modernsten Behandlungstechniken. So berichtete die „Presse“ am 14. Oktober 2020, dass sich Österreichs fast 360.000 Krebspatienten wohl auf eine zunehmend restriktive Bereitstellung moderner onkologischer Therapien einstellen müssen, da die Bewilligung in immer mehr Bundesländern über sogenannte „Innovationsboards“ ohne Beteiligung onkologischer Experten erfolge. Dieser Umstand wurde vom Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (OeGHO), Wolfgang Hilbe, anlässlich des Jahreskongresses der deutschen, österreichischen und schweizer Fachgesellschaften thematisiert. Der Hintergrund seiner Kritik: „Die Onkologie ist derzeit mit zielgerichteten Therapien für speziell ausgewählte Patienten, der Immunonkologie und Verfahren wie die CAR-T-Zelltherapie im Umbruch. Erfolgsraten wie nie zuvor können erzielt werden, die Kosten für einige der Behandlungsregimes können aber hoch sein. In Österreich kämpfen die Onkologen offenbar zunehmend mit Beschränkungen. ‚Es formieren sich in den verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Restriktionen in der Bewilligung innovativer Therapien. Viele Bundesländer folgen dabei dem Beispiel aus der Steiermark, wo ein 'Innovationsboard' ohne Beteiligung eines hämatologischen oder onkologischen Experten onkologische Behandlungen bewilligen oder ablehnen kann‘, erklärte Hilbe gegenüber der APA. […]“ (Quelle: https://www.diepresse.com/5881980/zugang-zu-wirksameren-krebstherapien-wird-in-osterreich-schwieriger)
Das von Wolfgang Hilbe angesprochene Innovationsboard wurde auch seitens des Landesrechnungshofs (LRH) in dessen Prüfbericht „Onkologische Versorgung in der Steiermark“ (EZ/OZ: 2167/2, XVII. Gesetzgebungsperiode) ab Seite 80 thematisiert. Demnach wurde im Jahr 2017 im Zusammenhang mit der Arzneimittelgebarung in der KAGes das sogenannte „Medizinische Innovationsboard (MIB)“ auf Initiative des Vorstandes der KAGes eingerichtet. „Anlass war die Beantragung einer ca. 10%igen Überschreitung des Budgets für Medizinische Ge- und Verbrauchsmaterialien (‚Ärztliche Verantwortung‘) gegenüber der Vorgabe im Rahmen des Wirtschaftsplanes 2017. Dies wurde insbesondere mit erwarteten Steigerungen bei den Medikamenten, fast ausschließlich in der Gruppe der Zytostatika/Immuntherapie, begründet.
Das MIB soll den Vorstand in seinen Entscheidungen unterstützen und bei den folgenden Themen beraten:
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Fragen, bei denen es um die Regeln für die Nutzenbewertung und finanzielle Bedeckung von medizinischen Verfahren, Methoden, Technologien und Sachmitteln auf Basis einer sicheren, effektiven, effizienten und gerechten Versorgung in den LKH der KAGes geht
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Optimierung der Entscheidungen für die Versorgung von Patienten aller Fachgebiete und Versorgungsstufen im Rahmen der finanziellen Vorgaben des Eigentümers
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Nachvollziehbare Begründungen und abgestimmte Kommunikationsstrategien/-inhalte für ein Commitment zwischen Eigentümer, Gesundheitspolitik, Patienten und Interessensvertretungen
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Erstellung von Grundlagen für bundesländer- und trägerübergreifende Initiativen“
Im LRH-Prüfbericht wird sodann ausgeführt, dass das MIB nach Angaben der KAGes weder eine übergeordnete Arzneimittelkommission noch ein übergeordnetes Tumorboard darstelle. Es ersetze weder die Arbeit der Tumorboards (individuelle Patientenentscheidungen) noch die Ergebnisse des Projektes „Medikamentöse Tumortherapie“ (Behandlungspfade für ausgewählte Tumorentitäten). Auch über Produktpreiskonditionen oder finanzielle Bedeckungsalternativen gebe es aus dem MIB keine Vorschläge.
Das Medizinische Innovationsboard tage unter dem Vorsitz des Vorstandsvorsitzenden der KAGes. Vertreter folgender Bereiche seien in das MIB entsandt: Ärztliche Direktionen, (Fach-)Ärzte (Onkologie, Hämatologie, Dermatologie, Gynäkologie, Pulmologie, Strahlentherapie, Interne Medizin, Kardiologie), Recht und Ethik, Krankenanstalten- und Sozialrecht, Apothekenleitungen, HTA-Experten, Statistik, Betriebsdirektionen und Einkauf.
Darüber hinaus wird in dem Bericht auf die aus Sicht der KAGes bisher wichtigsten Ergebnisse bzw. Meilensteine hinsichtlich des MIB eingegangen, wobei die punktuelle Aufzählung mehr oder minder erläutert, weswegen ein Abwägen zwischen innovativen und möglicherweise besseren, jedoch auch teureren Therapiemethoden bzw. Arzneimitteln mit Standardtherapien notwendig erscheine.
Im Zuge der gegenständlichen Anfrage soll folglich unter anderem geklärt werden, inwiefern sich das MIB seit dessen Einrichtung auf die Entscheidungen über die Zulassung bzw. die tatsächlichen Anwendungsmöglichkeiten in der täglichen Praxis innovativer Behandlungsmethoden ausgewirkt hat, wie sich dessen tatsächliche Besetzung und Entscheidungsfindung darstellte und welche Weiterentwicklungen angedacht sind.
Es wird daher folgende
Schriftliche Anfrage
gestellt:
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Gibt es ein schriftliches Regelwerk hinsichtlich der Ausgestaltung des MIB?
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Falls ja, wo ist dieses für die Öffentlichkeit einsehbar?
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Falls nein, warum nicht?
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Wie oft hat das MIB seit dessen Einrichtung getagt (bitte um Angabe der konkreten Tage und Zeiten)?
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Wie stellte sich die genaue Zusammensetzung des MIB bei den jeweiligen Sitzungen dar?
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Nahmen an den Sitzungen des MIB auch stets Experten der jeweiligen Fachrichtungen, die von den Empfehlungen des MIB bei der täglichen Arbeit unmittelbar betroffen sind, teil?
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Falls nein, warum nicht?
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Falls ja, wie erklären Sie sich die Behauptung vom Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, Wolfgang Hilbe, dass ein Innovationsboard – wie es das MIB zweifelsohne ist – ohne Beteiligung eines hämatologischen oder onkologischen Experten onkologische Behandlungen bewilligen oder ablehnen kann?
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Welche konkreten Fragestellungen bzw. Therapiemöglichkeiten betreffend welche medizinischen Fachbereiche wurden im Rahmen der Zusammenkünfte des MIB behandelt?
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Welche konkreten Ergebnisse wurden bei den jeweiligen Zusammenkünften erzielt?
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Wie werden die Entscheidungen innerhalb des MIB getroffen (bspw. mit einfacher Mehrheit, Zweidrittelmehrheit, bei Stimmengleichheit entscheidet der KAGes-Vorstandsvorsitzende, wer hat ein Stimmrecht etc.)?
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Wie oft wurden in den Zusammenkünften des MIB neue, innovative Therapien für künftige Behandlungen in KAGes-Spitälern empfohlen?
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Wie stellten sich diese Empfehlungen konkret dar bzw. welche konkreten Therapien wurden dabei empfohlen?
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Welche Kosten bedeutet die Aufnahme der empfohlenen neuen, innovativen Therapien für die KAGes bzw. die öffentliche Hand (insbesondere im Vergleich zu bisherigen Therapien bzw. Standardtherapien)?
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Wie oft wurden in den Zusammenkünften des MIB neue, innovative Therapien für künftige Behandlungen in KAGes-Spitälern abgelehnt bzw. nicht empfohlen?
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Aus welchen Gründen wurden diese Therapien abgelehnt bzw. nicht empfohlen und welche konkreten Therapien waren davon betroffen?
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Welche Kosten hätte die Aufnahme der seitens des MIB abgelehnten neuen, innovativen Therapien für die KAGes bzw. die öffentliche Hand bedeutet (insbesondere im Vergleich zu bisherigen Therapien bzw. Standardtherapien)?
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In wie vielen Fällen wurden die Empfehlungen durch das MIB hinsichtlich der Aufnahme bzw. Nicht-Aufnahme neuer, innovativer Therapien innerhalb der KAGes umgesetzt bzw. nicht umgesetzt?
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Aus welchen konkreten Gründen wurde den Empfehlungen des MIB in den jeweiligen Fällen nicht gefolgt?
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Inwiefern haben die Empfehlungen seitens des MIB in der täglichen Praxis Auswirkungen bzw. bindende Wirkung insbesondere hinsichtlich der Frage, ob in einem konkreten Fall eine neue, innovative Therapie angewendet werden kann oder eben nicht?
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Wurden bzw. werden in den konkreten Fällen die behandelnden Ärzte stets in die finale Entscheidung der tatsächlichen Anwendung einer neuen, innovativen Therapie – selbst wenn diese seitens des MIB nicht empfohlen wurde – miteinbezogen?
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Falls ja, wie stellt sich diese Teilhabe in der Praxis dar?
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Falls nein, warum nicht?
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Inwiefern haben bereits andere Bundesländer die KAGes um Unterstützung bei der Einrichtung ähnlicher Innovationsboards in diesen Bundesländern gebeten?
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Welche Überlegungen hinsichtlich einer Weiterentwicklung des MIB gibt es aktuell und wann sollen diese eine Umsetzung erfahren?
Unterschrift(en):
LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ), LTAbg. Patrick Derler (FPÖ), LTAbg. Mag. Stefan Hermann, MBL (FPÖ), LTAbg. Helga Kügerl (FPÖ), LTAbg. Albert Royer (FPÖ), LTAbg. Ewald Schalk (FPÖ)