TOP 26
EZ/OZ 1213/5
Schriftlicher Bericht
Ausschuss: Wirtschaft und Wissenschaft
Betreff:
Steirischer Masterplan gegen "Overtourism" - Maßnahmen zur professionellen Besucherlenkung und für nachhaltige Mobilität im Tourismus
zu:
EZ 1213/1, Steirischer Masterplan gegen „Overtourism“ – Maßnahmen zur professionellen Besucherlenkung und für nachhaltige Mobilität im Tourismus (Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT))
Der Ausschuss "Wirtschaft und Wissenschaft" hat in seiner Sitzung am Dienstag, dem 29.06.2021 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.
Mit Beschluss des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft vom 16.03.2021 wurde die Steiermärkische Landesregierung ersucht, eine Stellungnahme zum Antrag, Einl.Zahl 1213/1, betreffen "Steirischer Masterplan gegen "Overtourism" - Maßnahmen zur professionellen Besucherlenkung und für nachhaltige Mobilität im Tourismus" abzugeben.
Aufgrund dieses Beschlusses erstattet die Steiermärkische Landesregierung folgende Stellungnahme:
"Abteilung 12, Referat Tourismus:
Die vielfältigen natürlichen Gegebenheiten, insbesondere auch im ländlichen Kulturraum, stellen einen wesentlichen Erfolgsfaktor für den Steirischen Tourismus dar.
Diese Potentiale sind auf Grund von coronabedingter Beeinflussung des Freizeit- und Urlaubsverhaltens gefragter denn je. Dabei handelt es sich um einen Umstand, welcher selbstverständlich sowohl einen behutsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen, aber auch ein gedeihliches Miteinander und gegenseitigen Respekt vor unterschiedlichen Interessenlagen bedarf.
Unter „Overtourism“ wird eine Entwicklung im Tourismus verstanden, die das Entstehen von offen zutage tretenden Konflikten zwischen Einheimischen und Besuchern an stark besuchten Zielen zum Gegenstand hat. Mit „stark besuchten Zielen“ sind Destinationen gemeint, die ein so hohes Besucheraufkommen aufweisen, dass die Qualität sowohl für den Gast als auch die Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung massiv darunter leidet, wie etwa in Barcelona oder Hallstatt. Diese Beispiele zeigen, wohin ungesteuerter Massentourismus führen kann.
Den Touristikern wird immer wieder nachgesagt, das Besucherwachstum um jeden Preis steigern zu wollen und einem „schneller, höher, weiter“ alles unterzuordnen. Dem ist entgegen zu halten, dass es sich Steiermark Tourismus gerade nicht zum Ziel setzt, jedes Jahr neue Besucherrekorde zu generieren, sondern in seiner Strategie 2020 – 2025 ein qualitatives, nachhaltiges Wachstum zur Ganzjahresdestination mit entsprechender Wertschöpfung definiert hat.
Für Steiermark Tourismus beginnt daher eine nachhaltige gesunde Tourismusentwicklung bei der Frage, welchen Markt es zu bearbeiten gilt und es entscheidet sich beim Gast, ob es gelingt, Gastfreundschaft und Qualität auf allen Ebenen zu halten bzw. auszubauen.
Ziel ist es demnach, die Zufriedenheit der Gäste und Gastgeber, aber auch der einheimischen Bevölkerung sicherzustellen.
Dass dies gelingt, zeigt sich an der Beliebtheit der Steiermark bei ihren Besuchern und dem Stolz der Steirerinnen und Steirer auf ihre Heimat. Laut der von der Abteilung 17, Landes- und Regionalentwicklung, veröffentlichten Publikation zur Lebensqualität in der Steiermark 2019 (also einem Rekordjahr des steirischen Tourismus) geben 96,7% der Befragten an, gerne in der Steiermark zu leben. 85,3% sehen eine hohe Lebensqualität in der Steiermark, die Mehrheit der Befragten erkannte keine Veränderung der Lebensqualität in den letzten fünf Jahren und der geringste Handlungsbedarf in der Steiermark besteht nach Meinung der Befragten beim touristischen Angebot.
Von klassischem Overtourism kann somit in der Steiermark nicht gesprochen werden.
Dass es zu temporären Stoßzeiten an bestimmten Ausflugszielen und zu einem stärkeren Aufkommen insbesondere der einheimischen Bevölkerung kommen kann, ist allerdings nicht zu leugnen und kann eine Entzerrung der Besucherströme erforderlich machen.
Diesbezüglich sind schon jetzt gut funktionierende Reservierungs- und Zutrittssysteme wie z.B. auf den Dachstein oder beim Besuch der Zotter Erlebniswelt sowie digitale Lösungen wie etwa über den Tourismusregionalverband Schladming-Dachstein steiermarkweit im Einsatz. Selbstverständlich werden seitens Steiermark Tourismus derartige positive Umsetzungsbeispiele verstärkt präsentiert und kommuniziert.
Diese Maßnahmen, aber auch die Attraktivierung alternativer Destinationen werden durch die neue und größere Struktur im steirischen Tourismus nunmehr noch stärker und flächendeckender verfolgt werden können. Über den Tourismusbeirat, der im Zuge der jüngsten Novelle zum Tourismusgesetz institutionalisiert wurde, findet ein laufender Austausch zwischen Steiermark Tourismus und den Tourismusregionen statt.
Abschließend darf festgehalten werden, dass die in der letzten Zeit insbesondere situationsbedingte Nachfrage an Ausflugszielen keinesfalls darüber hinwegtäuschen darf, dass die Branche nach wie vor mit enormen Herausforderungen konfrontiert ist, die Lage weiter äußerst angespannt ist sowie die Folgewirkungen für die Tourismuswirtschaft der Steiermark nicht absehbar sind und daher im derzeitigen Handlungsfokus stehen.
Abteilung 16, Verkehr und Landeshochbau:
Durch Megatrends wie etwa dem Rückgang des Autobesitzes in den Städten oder „Autoteilen statt Besitzen“ rückt bereits seit geraumer Zeit auch für die steirischen Ausflugsziele die Bedeutung der sanft-mobilen Erreichbarkeit in den besonderen Fokus. Diese Trends haben sich in Folge der Covid-Krise durch die neue Bedeutung bzw. Wertigkeit der Naherholungsräume zur Stärkung der Resilienz weiter beschleunigt, wodurch sich der Verkehrsdruck auf touristische und naturräumliche Highlights der Steiermark zum Teil deutlich erhöht hat.
Das Land Steiermark wie auch der Verkehrsverbund haben bereits vor Jahren erkannt, welche Bedeutung nachhaltige Mobilitätsangebote für den öffentlichen Verkehr (ÖV) haben.
Dieser Freizeitverkehr hat das Potenzial ein Schuhlöffel zum Einstieg in das System ÖV zu sein, hat man doch gerade am Wochenende oder im Urlaub Zeit und Muße z.B. für einen Ausflug, die S-Bahn oder den RegioBus auszuprobieren. Vor allem aber ist im Zuge der Bündelplanungen gerade der Freizeitverkehr ein bedeutendes Argument für Gemeinden sowie regionale Entscheidungsträger, in die Aufrechterhaltung bzw. Ausweitung von Linien oder auch in alternative Mobilitätsformen zu investieren. Dies kommt sowohl der Bevölkerung der Regionen (inkl. Wertschöpfung) als auch den TouristInnen bzw. AusflüglerInnen zugute.
Im Zuge der Bahn- und Busplanungen berücksichtigt das Land touristische Ziele und Naherholungsgebiete systematisch. Entlang der S-Bahn und RegioBahn-Strecken erfolgt eine angebotsorientierte Herangehensweise.
Im Busbereich wird im Zuge der regionalen Busbündelplanungen über die Gemeinden auch der Bedarf für eine nachhaltige Tourismus- und Freizeitmobilität abgefragt. Mit dem einher geht eine entsprechende Finanzierung durch das Land Steiermark, die Gemeinden bzw. die Region. So konnten aktuell die letzten Planungen wichtige Ziele wie Herberstein oder aktuell auch die Riegersburg erstmals mit einem RegioBus-Angebot an Wochenenden erschlossen werden. Der Großteil der steirischen Ausflugsziele weist somit bereits eine hervorragende Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf.
Ein Auszug:
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Eisenerz (Abenteuer Erzberg): Im Zuge der Eisenstraßen-Planungen Stundentakt samstags, Zweistundentakt Sonn- und Feiertag
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Herberstein (Tierwelt, Stubenberg): im Zuge der Busbündelplanungen Weiz neue Buslinie 209 mit vier Kurspaaren an Samstagen und Sonn- und Feiertagen
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Stübing (Freilichtmuseum): an Wochenenden stündlich per S-Bahn erreichbar (15 min. Fußweg)
- Schöckl: Mit Bündel-Start ist von Graz aus ein Stundentakt über den gesamten Tag an Sam- Sonn- und Feiertagen eingeführt worden, zudem ist die Linie bis zum Schöcklkreuz verlängert worden.
- Schwarzlsee/Jump 25: Im Rahmen der Planungen zum Projekt Graz Südwest ist ein Stundentakt samstags sowie ein Zweistundentakt Sonn- und Feiertag eingeführt worden.
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Mautern (Wilder Berg): neu an Wochenenden im durchgängigen Zweistundentakt per RegioBahn erreichbar (15 min. Fußweg)
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Riegersburg (Kronberg, Zotter,...): neu an Wochenenden fünf Kurspaare Feldbach – Riegersburg mit sehr guten Anschlüssen an die S-Bahn aus Graz bzw. nach Fehring und auch weiter in den Wiener Raum
- Sommeralm: In der Saison von Weiz aus neu mit drei Kurspaaren erreichbar
- Grüner See und Mariazell: Verbesserungen im Zuge der Bündelplanungen ab Sommer 2021
Viele weitere Ziele, wie z.B. alle Ausflugsziele in Graz, die Dachsteinseilbahn, das Asia Spa in Leoben, der Sternenturm in Judenburg, die Weingegend der Südsteiermark, der Flascherlzug Stainz usw. sind bereits seit Jahren optimal mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen.
Neben der Angebotsplanung legen das Land und der Verkehrsverbund immer auch besonderen Wert auf die Vermarktung des Angebots. So führt der Verkehrsverbund eine eigene Freizeitdatenbank und hat zahlreiche auf den ÖV abgestimmte Wanderfolder und Freizeitbroschüren aufgelegt.
Tariflich wird zum Ausprobieren der Freizeitverkehre das Freizeit-Ticket Steiermark angeboten. Um 11 Euro pro Person kann man damit an Samstagen, Sonn- und Feiertagen einen ganzen Tag lang in der Steiermark unterwegs sein.
Das Freizeit-Ticket war ursprünglich saisoniert und wird seit Dezember 2017 sehr erfolgreich ganzjährig angeboten. Auch für das Freizeit-Ticket sind in den letzten Jahren Werbeaktionen umgesetzt worden (z.B. das Projekt „Grüner Mai“, bei dem an allen Wochenenden im Mai mit gültigem Freizeit-Ticket gratis Eintritt bei allen Zielen der Steiermark Card angeboten wurde)."
Es wird daher der
Antrag
gestellt:
Der Landtag wolle beschließen:
Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft zum Antrag, Einl.Zahl 1213/1, betreffend "Steirischer Masterplan gegen "Overtourism" - Maßnahmen zur professionellen Besucherlenkung und für nachhaltige Mobilität im Tourismus", der Abgeordneten der Grünen wird zur Kenntnis genommen.
Die Obfrau:
LTAbg. Mag. Alexandra Pichler-Jessenko