EZ/OZ: 2299/1
Dringliche Anfrage (§ 68 GeoLT)
eingebracht am 07.06.2022, 15:42:38
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Mag. Stefan Hermann, MBL (FPÖ), LTAbg. Patrick Derler (FPÖ), Dritter Landtagspräsident Dipl.-Ing. Gerald Deutschmann (FPÖ), LTAbg. Herbert Kober (FPÖ), LTAbg. Helga Kügerl (FPÖ), LTAbg. Mario Kunasek (FPÖ), LTAbg. Albert Royer (FPÖ), LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ)
Fraktion(en): FPÖ
Regierungsmitglied(er): Landeshauptmann-Stv. Anton Lang
Betreff:
Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Graz
Am 24. Mai 2022 stellte die dunkelrot-grün-rote Grazer Rathauskoalition ihr Expertenpapier zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Landeshauptstadt vor. Geprüft wurden von den sechs Fachleuten in dem knapp 280 Seiten starken Papier unter anderem die Konzepte für eine U-Bahn, eine S-Bahn sowie für einen reinen Straßenbahnausbau. Die Regierungspartner legten sich im Rahmen der Pressekonferenz auf die Variante eines S-Bahn-Tunnels fest. Welche Konzeption genau erfolgen soll, wird bis zum Jahresende geklärt. Konkret heißt es in einem Bericht der „Kleinen Zeitung“ vom 24. Mai 2022 dazu: „Zwei S-Bahn-Varianten sind für die Politik noch im Rennen, jene mit einem kurzen (5,9 Kilometer) und einem langen (7 Kilometer) Tunnel. ‚Und dann haben wir noch das S-Bahn-Papier von Verkehrsplaner Willi Hüsler im Köcher, der ja vor Längerem von Stadt und Land beauftragt wurde‘, so Schwentner. Bis Jahresende sollen die städtischen Fachleute daraus ein Konzept machen. Und mit dem geht die Politik dann in die Verhandlungen mit Land und Bund.“ (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/6143852/Keine-Volksbefragung_DreierKoalition-legt-sich-fest_Graz-will)
Von der zuvor groß im Gemeinderat der Stadt Graz angekündigten Volksbefragung möchte man im Rathaus hingegen nichts mehr wissen. Bürgermeisterin Kahr und Vizebürgermeisterin Schwentner erteilen dieser laut „Kleiner Zeitung“ eine klare Absage. Konkret heißt es dazu: „‚Sie sehen an dem Bericht, wie komplex diese Frage ist. Das würde für eine Ja/Nein-Frage überfordern‘, so Schwentner. Und Kahr, deren KPÖ-Klubchefin Christine Braunersreuther im Gemeinderat noch eine Befragung versprochen hatten? [sic!] ‚Man muss zu dem Punkt kommen, wo man den Experten vertraut.‘ Außerdem sei es ohnehin ‚fünf nach 12‘ für eine Entscheidung.“
Die politische Zielvorgabe für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs war eine Steigerung des ÖV-Anteils bei den Alltagswegen auf 30 Prozent. Trotz der mittelintensiven Ausbaupläne ist dies jedoch unrealistisch, wie Experten festhalten. In einem weiteren Bericht der „Kleinen Zeitung“ vom 27. Mai 2022 heißt es dazu: „Werte um die 25 Prozent sind das Maximum. Die politische wie fachliche Schlussfolgerung: Nur mit dem Angebot (Pull-Faktor) ist es nicht getan, es braucht auch zusätzliche, einschränkende Maßnahmen (Push-Faktor).“ (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/6144626/Zehn-Antworten-zum-OeVKonzept-fuer-Graz_Was-den-SBahnTunnel-von) Wie diese Einschränkungen genau aussehen werden, darf von den täglichen Pendlern mit Spannung erwartet werden.
Klar ist jedoch, dass alle ÖV-Konzepte auf einem „Referenzfall“ fußen, bei dem es bereits etwa eine Verdichtung des S-Bahn-Taktes, einen viergleisigen Ausbau Graz-Peggau sowie vier Nahverkehrsknoten (Gösting, Reininghaus, Seiersberg-Pirka, Neuholdaugasse) gibt. Dies ist insofern interessant, da zumindest für den Nahverkehrsknoten Gösting die Planungen seitens des Bundes bzw. der ÖBB derzeit auf Eis liegen. So heißt es in einer Beantwortung einer FPÖ-Anfrage durch das Umweltministerium vom 14. Dezember 2020 (3782/AB) dazu: „Konkrete Zeitpläne zur Umsetzung waren nicht Ziel der Machbarkeitsprüfung und liegen daher derzeit noch nicht vor. Der Ausbau eines Nahverkehrsknoten mit S-Bahn-Anbindung in Gösting ist im aktuell gültigen Zielnetz 2025+ nicht enthalten. Die Aufnahme soll im Zuge der Fortschreibung des Zielnetzes 2040 evaluiert werden. Für die Errichtung einer Nahverkehrsdrehscheibe in Graz Gösting wären umfangreiche Umbauten bzw. Optimierung der bestehenden Bahninfrastruktur erforderlich (z.B.: Errichtung von Inselbahnsteigen, Errichtung eines Personentunnels, infrastrukturelle Anpassungen an Hauptgleisen etc.).“
Darüber hinaus setzen die Planungsgrundlagen des Expertenpapiers auch weitere, umfassende Infrastrukturprojekte der Steiermark als bestehend voraus, um die vorgestellten Varianten realisieren zu können. So heißt es beispielsweise im Zusammenhang mit den S-Bahn-Tunneln: „Die Zulaufstrecke im Süden (Südbahn zur GKB) für den S-BahnTunnel verläuft im Gebiet der Gemeinde Seiersberg-Pirka. Aufgrund der Ausfädelung bei der Südbahn bei gleichzeitiger Errichtung der Güterzugspange Südbahn-Ostbahn muss das ganzheitlich geplant werden. Dies kann eine zeitliche Verzögerung bedeuten.“ (Quelle: ÖVS Graz Endbericht, Seite 239 / abrufbar unter: https://assets.kleinezeitung.at/images/downloads/f/6/c/oevs_graz_endbericht-mai_202220220524132956.pdf) Für eine derartige Errichtung liegen zwar bereits Planungskorridore im Bereich der Flächenwidmungen vor, von einer tatsächlichen Umsetzung ist man jedoch noch viele Jahre entfernt.
Vertreter der Bundes- und Landesregierung signalisierten zaghafte Zustimmung zu den Grazer Plänen. Die „Kleine Zeitung“ berichtete dazu am 1. Juni 2022 wie folgt: „Verkehrslandesrat Anton Lang (SPÖ), der sich schon für die U-Bahn-Idee offen gezeigt hat, ist auch für den S-Bahn-Tunnel zu haben: ‚Ideen zum ÖV-Ausbau sind stets zu begrüßen.‘ Aber Graz müsse zuerst für sich entscheiden, ‚in welcher Form sie sich den Ausbau des ÖV vorstellen‘. Im Ministerium von Leonore Gewessler (Grüne) bestätigt man ‚laufende Gespräche auf Expert:innenebene‘. Und: ‚Neben der langfristigen Perspektive des S-Bahn-Tunnels gibt es ja auch viele weitere kurz- und mittelfristige Verbesserungen‘ wie Tram-Ausbauten und beim S-Bahnnetz. Man werde ‚im Rahmen der Bundeskompetenzen bestmöglich unterstützen‘, heißt es. Und: ‚In den nächsten Jahren gilt es deshalb insbesondere jene Projekte umzusetzen, die kurz bis mittelfristig realisierbar sind. Dabei wird natürlich auch die strategische Weiterentwicklung mitbedacht.‘“ (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/6146942/Bestmoeglich-unterstuetzen_Gewessler-und-Land-zeigen-sich-fuer-den)
Da es sich bei den nunmehr durch die Stadt Graz angestellten Planungen im Rahmen der Präsentation des Expertenpapiers um Überlegungen handelt, welche einerseits einen enormen Mitteleinsatz verlangen und andererseits auf der Annahme von Voraussetzungen aufbauen, welche bei weitem nicht gegeben sind, ergeht zur Klärung des Sachverhaltes und im Sinne der Grazer Bevölkerung sowie den betroffenen Umlandgemeinden die gegenständliche Dringliche Anfrage.
Es wird daher folgende
Dringliche Anfrage
gestellt:
- Gab es bereits Gespräche über die Kostenteilung zwischen der Stadt Graz, dem Land Steiermark sowie der Bundesregierung für die vorgestellten Varianten eines S-Bahn-Tunnels?
- Wenn ja, wann fanden diese statt, was war deren konkreter Inhalt und mit welchen finanziellen Aufwendungen für das Land Steiermark ist bei der Umsetzung der von der Stadtregierung vorgeschlagenen Varianten zu rechnen?
- Wurden seitens der Stadt Graz bereits Gespräche mit Ihrem Ressort über die Herstellung des im Expertenpapier angenommenen „Referenzfalles“ geführt?
- Wenn ja, wann fanden diese statt, was war deren konkreter Inhalt und mit welcher Beteiligung seitens des Landes Steiermark zu den veranschlagten weiteren 2,5 Milliarden Euro Ausbaukosten ist hierbei zu rechnen?
- Im „Referenzfall“ wird auch die Schaffung von vier Nahverkehrsknoten angenommen, gibt es dazu bereits Planungen?
- Wenn ja, wie gestalten sich diese Planungen konkret?
- Werden Sie sich für den im Rahmen des Expertenpapiers mehrfach geforderten Ausbau der steirischen Ostbahn und die Errichtung einer Güterzugspange zur Südbahn einsetzen?
- Welche finanzielle Belastung würde die Steiermark bei der Umsetzung einer Güterzugspange der Ostbahn zur Südbahn erwarten?
- Gibt es bereits Gespräche mit den Umlandgemeinden von Graz, welche von den vorgestellten Plänen betroffen wären?
- Wenn ja, welche Gemeinden sind in diese Gespräche eingebunden und wer führt diese Gespräche konkret (Stadt Graz, Land Steiermark, Bund)?
- Ist in weiterer Folge eine Koordinierungsstelle für die Umsetzung der Planungen der Stadt Graz vorgesehen?
- Wenn ja, wo wird diese angesiedelt sein (Gemeinde-, Landes- oder Bundesebene)?
- Müssen aufgrund der zu erwartenden, horrenden Investitionen in der Landeshauptstadt andere geplante Projekte in der Steiermark rückgestellt oder abgesagt werden?
- Wenn ja, welche Projekte sind davon konkret betroffen?
- Werden Sie sich im Sinne der Bürgerbeteiligung für eine Volksbefragung zu den präsentierten Ausbauplänen des öffentlichen Verkehrs in Graz einsetzen?
- Wie weit sind die Verhandlungen zur angekündigten 15a-Vereinbarung zum Ausbau des Straßenbahnverkehrs in der Landeshauptstadt bereits fortgeschritten und was ist der derzeitige konkrete Stand?
- Wie hoch sind die Finanzmittel, die der Stadt Graz und dem Land Steiermark im Rahmen dieser 15a-Vereinbarung zur Verfügung gestellt werden?
- Handelt es sich dabei um eine Drittel-Finanzierung, wie von der Stadt Graz erwartet?
- Wann werden diese Gelder konkret zur Verfügung gestellt?
- Gibt es seitens des Landes Steiermark bereits Zusagen über eine Kofinanzierung der angedachten ÖV-Projekte in der Landeshauptstadt, insbesondere zur Errichtung eines S-Bahn-Tunnels?
- Wenn ja, wie gestalten sich diese Zusagen konkret?
- Werden Sie sich gegen die geplanten „Push-Faktoren“ – also einschränkende Maßnahmen im Bereich des Individualverkehrs – seitens der Stadt Graz aussprechen?
- Wenn ja, wie gedenken Sie gegen diese „Push-Faktoren“ vorzugehen?
Unterschrift(en):
LTAbg. Mag. Stefan Hermann, MBL (FPÖ), LTAbg. Patrick Derler (FPÖ), Dritter Landtagspräsident Dipl.-Ing. Gerald Deutschmann (FPÖ), LTAbg. Herbert Kober (FPÖ), LTAbg. Helga Kügerl (FPÖ), LTAbg. Mario Kunasek (FPÖ), LTAbg. Albert Royer (FPÖ), LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ)