EZ/OZ: 624/1
Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)
eingebracht am 19.06.2020, 09:34:57
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Patrick Derler (FPÖ), Dritter Landtagspräsident Dipl.-Ing. Gerald Deutschmann (FPÖ), LTAbg. Mag. Stefan Hermann, MBL (FPÖ), LTAbg. Helga Kügerl (FPÖ), LTAbg. Albert Royer (FPÖ), LTAbg. Ewald Schalk (FPÖ), LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ)
Fraktion(en): FPÖ
Zuständiger Ausschuss: Verfassung
Regierungsmitglied(er): Landesrat Mag. Christopher Drexler
Betreff:
Corona-Krise erfordert Erhöhung der Lehrstellen im Landesdienst!
Das Land Steiermark sieht sich nach eigenen Angaben als einer der größten und führenden Arbeitgeber in der Steiermark. So wird auf der Homepage des Landes wie folgt ausgeführt: „Lehrlinge sind unsere Fachkräfte von morgen! Deshalb nehmen wir jedes Jahr Lehrlinge in unterschiedlichsten Berufen auf. Unsere Lehrstellen werden grundsätzlich einmal jährlich im November/Dezember auf unserem Jobportal veröffentlicht. Vor allem möchten wir jungen Menschen nach Beendigung der Schulpflicht eine Ausbildung im Sinne des Ausbildungsgesetzes anbieten.“ (Quelle: https://www.verwaltung.steiermark.at/cms/ziel/74837373/DE)
Betrachtet man die Situation jedoch genauer, so wird ganz klar eine massive Abweichung von der Eigendarstellung des Landes und der realen Situation sichtbar. Gemäß einer Anfragebeantwortung vom Februar 2014 durch den damals zuständigen Personalreferenten des Landes Hermann Schützenhöfer befanden sich insgesamt 348 Lehrlinge in Ausbildung, davon 261 Lehrlinge in der Landesverwaltung inklusive Sozialeinrichtungen und 87 Lehrlinge bei der KAGes. (16. Gesetzgebungsperiode; Schriftliche Anfragebeantwortung mit der EZ/OZ: 2575/2). Gemäß einer Presseinformation anlässlich des Tags der Landeslehrlinge am 2. Dezember 2019 befanden sich zu diesem Zeitpunkt nur mehr 124 Lehrlinge im Landesdienst. Vergleicht man diese Zahl mit 2014 und zieht hiervon noch die 87 Lehrlinge der KAGes ab, so ergibt sich eine Differenz von 137 Lehrstellen, ein Rückgang von annähernd 50 Prozent. (Quelle: https://hermannschuetzenhoefer.at/2019/12/02/tag-der-landeslehrlinge/)
Das wirtschaftspolitische Berichts- und Informationssystem des Joanneum Research gibt darüber hinaus Auskunft, dass sich der Lehrlingsstand in der Steiermark vom Jahr 2013 von 17.580 auf 15.543 im Jahr 2019 verringerte, was einem Rückgang von immerhin zwölf Prozent entspricht und angesichts des ohnehin vorherrschenden Facharbeitermangels sehr bedenklich ist. Auch die Zahl der Lehrbetriebe verringerte sich im selben Zeitraum von 33.595 auf 29.034. (Quelle: https://wibis-steiermark.at/arbeit/lehre/lehrlinge/)
Die Corona-Krise zeigte auch am Lehrstellenmarkt ihre verheerenden Auswirkungen. Machte es die hervorragende wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre noch – zumindest theoretisch – möglich, dass jeder Lehrstellensuchende einen Lehrplatz finden konnte beziehungsweise sogar ein kleiner Überschuss an Lehrstellen herrschte, so kehrte sich die Lage nun massiv ins Gegenteil. Die Statistik des Arbeitsmarktservice Steiermark weist mit Ende Mai 2020 773 Lehrstellensuchende auf, eine Zunahme gegenüber dem Mai 2019 um 201 Personen. Demgegenüber stehen 680 gemeldete offene Lehrstellen, eine Abnahme gegenüber dem Vorjahr um 180 Stellen. Somit haben derzeit 93 junge Steirer überhaupt keine Chance auf einen Ausbildungsplatz. Die Anzahl der Arbeitslosen unter 25 Jahren beläuft sich auf 6.515, eine Erhöhung gegenüber dem Vorjahr um 3.378 Personen. Gemessen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen liegt jene junger Menschen bei rund zwölf Prozent. Diese Lage dürfte sich nach Ende des Schuljahres und dann bis in den Herbst hinein und vor allem mit Winterbeginn noch einmal massiv verschärfen, droht doch aktuell eine enorme Welle an Arbeitslosigkeit und Insolvenzen. (Quelle: https://www.ams.at/regionen/steiermark/news/2020/06/der-steirische-arbeitsmarkt-mai-2020)
Am 5. Juni 2020 stellten das Land und Soziallandesrätin Doris Kampus die Corona-Stiftung vor. Teil davon war das Vorhaben, auch jungen Menschen eine Perspektive in diesen Krisenzeiten zu bieten. Zwar wurde die Errichtung zweier Produktionsschulen für insgesamt 100 „benachteiligte Jugendliche“ – hiervon umfasst können ebenfalls langzeitarbeitslose Ausländer und Asylberechtigte sein – beschlossen, doch echte Maßnahmen zur Stärkung des Lehrstellenangebots ließen sich nicht finden. Die angekündigte Ausweitung der überbetrieblichen Lehrausbildung wird von den Freiheitlichen kritisch betrachtet, da grundsätzlich die Ausbildung in einem Betrieb forciert werden muss. (Quelle: https://www.soziales.steiermark.at/cms/beitrag/12783300/5195/)
Letztlich ist auch von den vollmundigen Ankündigungen im Regierungsprogramm von ÖVP und SPÖ wenig bis nichts geblieben. Zur Lehre wird auf den Seiten 24, 25 und 27 wie folgt Stellung genommen: „Duale Ausbildung als Zukunftsmodell: Wir schnüren ein umfassendes Lehrlingspaket, mit dem die Steiermark den Trumpf des dualen Ausbildungsmodells wieder voll ausspielen kann. Denn die Lehrlinge von heute sind jene Fachkräfte von morgen, die unsere steirischen Betriebe zum Erfolg führen. Wir steigern mit einer Vielzahl an bedarfsgerechten Modellen die Attraktivität des Lehrberufs. Die Lehre wird gestärkt als Sprungbrett für weitere Ausbildungswege und die Meisterprüfung wird aufgewertet. Vor dem Start unterstützen wir junge Menschen und ihre Ausbildungsbetriebe bei der gezielten Vorbereitung auf die Lehre und begleiten bei Bedarf mit individuellem Coaching. Wer sich für eine Lehre entscheidet, wird dabei gestärkt, sie erfolgreich abschließen zu können. Finanzielle Gründe dürfen kein Ausschließungsgrund für eine Lehre sein: Die Lehrlingsbeihilfe und ein Lehrlingsstartpaket bereiten den Weg in eine gute Zukunft. […] Die Wirtschaft braucht gut ausgebildete Facharbeiterinnen und Facharbeiter. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, forcieren wir den weiteren Ausbau des Modells Lehre mit Matura und wollen zusätzlich die Machbarkeit eines integrierten Modells von Matura mit Lehre überprüfen.“ (Quelle: http://www.stvp.at/files/2019/12/Agenda-weiss-gr%C3%BCn-1.pdf)
Tatsache jedoch ist, dass bezugnehmend auf die Lehre nicht eine einzige Zeile des Regierungsprogramms umgesetzt wurde. Weder ist ein Lehrlingspaket in Aussicht, noch wurden Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Lehrberufs gesetzt und auch der Ausbau der Lehre mit Matura ist nicht in Sicht. ÖVP und SPÖ beschränken sich auf leere Plattitüden und auf das Verwalten der Krise, anstatt das Heft endlich in die Hand zu nehmen und konkrete Maßnahmen zu setzen.
Ohnehin gilt es, für die Zukunft vorzusorgen, denn dem Land Steiermark steht eine große Pensionierungswelle bevor. So sollen in den nächsten fünf bis zehn Jahren 40 bis 50 Prozent der Beamten und Landesbediensteten in Pension gehen. (Quelle: https://steiermark.orf.at/stories/3034117/)
Das Land muss angesichts der angespannten Situation am Lehrstellenmarkt, der hohen Jugendarbeitslosigkeit und der drohenden Verschlimmerungen am Arbeitsmarkt im Herbst mit gutem Beispiel vorangehen und als Sofortmaßnahme eine Erhöhung der im Bereich des Landes angesiedelten Lehrstellenplätze um 20 Prozent durchführen. Solange die Auswirkungen der Corona-Krise nicht überwunden sind, ist gegebenenfalls dieser Prozentsatz anzupassen, denn Ziel muss es sein, allen steirischen Jugendlichen eine echte Perspektive zu bieten. Grundsätzlich haben ÖVP und SPÖ jedoch auch unabhängig von der Krise zu handeln, waren sie es doch, die stetig die Lehrstellen des Landes verringerten und damit viele steirische Jugendliche um ihre Ausbildung brachten.
Es wird daher der
Antrag
gestellt:
Der Landtag wolle beschließen:
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Die Landesregierung wird aufgefordert, die Anzahl der Lehrstellen des Landes Steiermark sowie seiner Gesellschaften in den nächsten vier Jahren jährlich um jeweils 20 Prozent zu erhöhen und die dafür erforderlichen finanziellen Mittel bereitzustellen beziehungsweise den Stellenplan dafür zu adaptieren,
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in Zusammenarbeit mit dem AMS Steiermark ein Monitoring des Lehrstellenmarktes zu etablieren, um bei einem weiteren Anstieg der Lehrstellenlücke nötigenfalls weitere Lehrplätze im Landesdienst zu etablieren sowie
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dem Landtag Steiermark einen Bericht zur bevorstehenden Pensionierungswelle vorzulegen, der sich unter anderem explizit mit den Auswirkungen auf jene Planstellen, die mit selbst ausgebildeten Lehrlingen nachbesetzt werden könnten, befasst.
Unterschrift(en):
LTAbg. Patrick Derler (FPÖ), Dritter Landtagspräsident Dipl.-Ing. Gerald Deutschmann (FPÖ), LTAbg. Mag. Stefan Hermann, MBL (FPÖ), LTAbg. Helga Kügerl (FPÖ), LTAbg. Albert Royer (FPÖ), LTAbg. Ewald Schalk (FPÖ), LTAbg. Marco Triller, BA MSc (FPÖ)