TOP 9
EZ/OZ 1688/5
Schriftlicher Bericht
Ausschuss: Wirtschaft und Wissenschaft
Betreff:
Errichtung eines Steirischen Fachkräftezentrums
zu:
EZ 1688/1, Errichtung eines Steirischen Fachkräftezentrums (Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT))
Der Ausschuss "Wirtschaft und Wissenschaft" hat in seiner Sitzung am Dienstag, dem 11.01.2022 über den oben angeführten Gegenstand die Beratungen durchgeführt.
Mit Beschluss des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft vom 12.10.2021 wurde die Steiermärkische Landesregierung ersucht, eine Stellungnahme zum Antrag, Einl.Zahl 1688/1, betreffend "Errichtung eines Steirischen Fachkräftezentrums" abzugeben.
Aufgrund dieses Beschlusses erstattet die Steiermärkische Landesregierung folgende Stellungnahme:
"Dazu wird seitens der Abteilung 11 folgende Stellungnahme abgegeben:
Die bedarfsorientierte Fachkräfteausbildung ist ein wesentlicher Schwerpunkt im Rahmen des steirischen Qualifizierungs- und Beschäftigungsprogramms der Abteilung 11, mit dem Ziel, dem Fachkräftemangel in unterschiedlichen Branchen entgegenzuwirken und sowohl die steirischen Arbeitssuchenden als auch die steirischen Unternehmen und die soziale und kommunale Infrastruktur bestmöglich zu unterstützen. Dafür werden nicht nur bewährte Instrumente der Arbeitsmarktpolitik ausgebaut, sondern auch neue Initiativen gesetzt.
Als zentrales arbeitsmarktpolitisches Instrument zur Fachkräfteausbildung setzt das Arbeitsressort gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice Steiermark Arbeitsstiftungen in ihren unterschiedlichen Formen um. Sie ermöglichen passgenaue Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen für Menschen in unterschiedlichen Branchen und reagieren so „on demand“ auf die jeweils aktuellen Bedarfe. Mit der Steirischen Arbeitsförderungsgesellschaft (StAF) besteht zudem eine weitere Einrichtung, die gezielt aktuelle Entwicklungen am Arbeitsmarkt verfolgt und adäquate Instrumente entwickelt, um positive Tendenzen zu verstärken und negativen Entwicklungen entgegenzuwirken. Dabei leistet die Gesellschaft durch effiziente Qualifizierungsmaßnahmen in Zukunft einen weiteren Beitrag zur Deckung des Personal- und Fachkräftebedarfs von steirischen Betrieben und Organisationen.
Aktuell werden im Rahmen von Arbeitsstiftungen Qualfizierungsoffensiven in bestimmten Bereichen und Branchen wie „Klima“ und „Pflege“ umgesetzt. Eine Digitalisierungsstiftung ist in Vorbereitung. Ergänzt werden diese Maßnahmen durch Zielgruppenstiftungen und eine offene Regionalstiftung für Klein- und Mittelbetriebe.
Neben den Stiftungsmodellen steht mit dem Instrument der „Arbeitsplatznahen Qualifizierung (AQUA)“ zudem ein sehr flexibles Angebot zur Verfügung, das es Unternehmen ermöglicht, neue MitarbeiterInnen passgenau und arbeitsplatznah zu qualifizieren.
Dazu wird seitens der Abteilung 12 folgende Stellungnahme abgegeben:
Die Herbstprognose der Abteilung 12 zu Beschäftigung und Arbeitsmarkt vom Oktober 2021 zeigt unter den pandemiebedingten Unsicherheiten auf, dass sich Beschäftigung und Arbeitsmarkt in der Steiermark in 2021 und 2022 deutlich erholen werden. So wird die Arbeitslosenquote 2022 mit 5,7% unter das Niveau von 2019 sinken und das Wachstum der Aktivbeschäftigung wird mit 2,1% in 2022 deutlich über jenem des Jahres 2019 (+1,6%) liegen. Gleichzeitig wird das AMS weiterhin verstärkt Schulungsmaßnahmen einsetzen, so wird die Zahl der Personen in Schulung im Jahresdurchschnitt 2022 voraussichtlich auf 8.600 Personen steigen.
Die Beschäftigungs- und Arbeitsmarktprognose für die Steiermark 2021 zeigt darüber hinaus auf, dass sich die Zahl der Aktivbeschäftigten und die Arbeitslosenquote in der Steiermark besser entwickeln werden als im Österreichschnitt. Der Volltext der Prognose ist unter https://www.wirtschaft.steiermark.at/cms/ziel/164570597/DE/ abrufbar.
Die Fachkräftethematik ist, unabhängig von der jeweiligen konjunkturellen Lage, eine wichtige Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Treiber des steigenden Fachkräftebedarfes sind neben den steigenden Qualifikationserfordernissen insbesondere die demographische Entwicklung sowie die sich wandelnden Berufs- und Bildungsentscheidungen junger Menschen. Darüber hinaus steht der steirische Arbeitsmarkt in zunehmender nationaler und internationaler Konkurrenz.
In Bezug auf die demografische Entwicklung ist aus der letzten Bevölkerungsprognose der Statistik Austria bekannt, dass alleine in der Steiermark die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter – dies sind lt. Definition Menschen zwischen 15 und 64 Jahren - in der Steiermark von 816.636 (2022) bis 2030 auf 776.597 sinken wird, das sind absolut – 40.000 Personen, bzw. -4,9%. Hier wird die Steiermark eine ungünstigere Entwicklung nehmen als Österreich, für das ein Verlust von -2,9% bzw. -170.000 Personen prognostiziert wird.
Aber auch schon aktuell zeigt sich eine deutliche Veränderung in der Altersstruktur der unselbständig Beschäftigten in der Steiermark im Jahresdurchschnitt, wie der nachstehenden Tabelle zu entnehmen ist. So zeigt sich, dass die Zahl der Personen in den Altersgruppen bis 44 Jahre rückläufig war. Besonders auffällig ist hierbei die Altersgruppe 15-24 Jahre, in dieser waren im Jahr 2020 um rd. 19,4 % weniger beschäftigt als noch im Jahr 2000. Dem gegenüber stehen starke Zuwächse in den Altersgruppen 45+, hier weist die Steiermark 2020 um rd. 110.000 mehr Personen in Beschäftigung auf als noch im Jahr 2000. Zahlreiche Personen der Babyboomer-Generation werden in den kommenden Jahren in Pension gehen, die Bewältigung des demografischen Wandels stellt damit bereits auf der betrieblichen Ebene eine große Herausforderung dar.
Die Verfügbarkeit von Fachkräften ist in einer exportorientierten, offenen Volkswirtschaft im globalen Standortwettbewerb zunehmend eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Zur Sicherung des Fachkräftebedarfes sind zielführende Maßnahmen in folgenden Bereichen verstärkt anzusprechen:
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Berufs- und Bildungsorientierung (BBO Maßnahmen)
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Betriebliche Personalentwicklung (betriebliche Qualifizierung, Nachwuchsentwicklung)
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Überbetriebliche Qualifizierung (AMS, Land/A11)
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Rekrutierung des Arbeitskräftepotentials (z.B. Frauen in technischen Berufen; Vereinbarkeit von Familie und Beruf)
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Attraktivierung der Unternehmen als Arbeitgeber (insb. Work-Life-Balance; Employer Branding)
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Betriebliches Demographiemanagement (Erhaltung der Arbeitsfähigkeit älterer Beschäftigter und rechtzeitiger Aufbau von Nachwuchskräften)
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Internationale Fachkräftesuche und – attrahierung, z.B. Bundesagentur ABA – Work in Austria, Standortmarketing der Steirischen Tourismus- und Standortmarketing GmbH (STG) und der Club International (CINT)
In diesem Kontext ist auch auf den Beschluss der Landeshauptleutekonferenz vom 19. November 2021 zu verweisen, der die zuständige Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort um Einrichtung eines Expert*innenteams mit der Zielsetzung ersucht, Vorschläge und Maßnahmen zur Attraktivierung der Lehre zu erörtern und einen Maßnahmenkatalog mit Handlungsempfehlungen zu erstellen. In diesen Prozess sind neben den ressortzuständigen Ministerien die Bildungsdirektionen, das AMS, die Länder, Sozialpartner und Interessenvertretungen und weitere Expert*innen aus dem wissenschaftlichen Bereich einzubinden. Auch mit dieser Initiative soll die Thematik der fehlenden Fachkräfte gezielt unterstützt werden.
Auf Landes- und Bundesebene arbeiten mehrere Ressorts und Abteilungen an der Bewältigung dieser Herausforderung. Auf der Ebene des Wirtschaftsressorts des Landes werden verschiedene Unterstützungsmaßnahmen durch die Steirische Wirtschaftsförderungsgesellschaft SFG mit ihren Förderungsaktionen im Bereich der betrieblichen Qualifizierung (Förderungsaktionen Erfolgs!Kurs, Take Tech, MINTOFFENSIVE Steiermark) sowie Projektförderungen im Bereich der Berufs- und Bildungsorientierung (Berufsfindungsbegleitung, Regionale Talente, Qualifizierungsoffensive Bau, Erlebniswelt Wirtschaft) umgesetzt. Das Ressort für Wirtschaft und Innovation wendet für diese Maßnahmen – obwohl inhaltlich weder für Berufsorientierung noch für die Förderung von Lehrlingen zuständig – pro Jahr einen Betrag zwischen 1 und 1,5 Millionen Euro auf.
Ein auch international beachtetes Beispiel im Bereich der Berufs- und Bildungsorientierung ist das Talentcenter der WKO Steiermark, welches nicht nur in der Steiermark bereits ein fixer Bestandteil im Berufsorientierungsprozess ist. Im Jahr 2019 wurde diese Initiative beim Kongress „International Chamber of Commerce“ zum „best education and training project“ gekürt. Der Talentcheck ist mit modernsten Technologien ausgestattet und bietet durch den Kooperationspartner, die Karl-Franzens-Universität Graz, ein Berufsorientierungsangebot auf höchstem wissenschaftlichen Niveau. Damit können 13- bis 15-Jährige der 7. und/oder 8. Schulstufe ihre eigenen Neigungen, Talente und Potenziale selbst entdecken und erhalten dadurch eine objektive Entscheidungshilfe für die eigene zukünftige Ausbildung.
Im Zuge des Projektes „Regionale Talente“ fördert das Wirtschaftsressort seit dem Jahr 2020 landesweit in Kooperation mit der Steirischen Volkswirtschaftlichen Gesellschaft STVG spezielle Beratungsgespräche mit den Besucherinnen und Besuchern des Talentcenter sowie deren Eltern, um die Ergebnisse des Talentchecks einige Tagen oder Wochen nach dem Besuch nochmals hinsichtlich der Bildungs- und Berufsorientierung zu analysieren.
Sämtliche Angebote, die das Wirtschaftsressort des Landes im Zuge der Bildungs- und Berufsorientierung durchführt und finanziert, sind bewusst dezentral organisiert, damit sie direkt bei den teilnehmenden Betrieben und nahe an der jugendlichen Zielgruppe durchgeführt werden können.
Auf Landesebene wurde mit der Einrichtung des „Arbeitsmarktpolitischen Beirats“ durch die beiden Ressorts Arbeit und Wirtschaft aktuell bereits ein neues Forum geschaffen, in welchem neben Expert*innen aus dem Sozial- und dem Wirtschaftsressort des Landes auch die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammer, die Gewerkschaft, die Industriellenvereinigung sowie das Arbeitsmarktservice vertreten sind. Zielsetzung ist es, in Fachausschüssen zum Thema Fachkräftemangel und Langzeitarbeitslosigkeit gemeinsame Lösungsschritte zu erarbeiten.
Das im gegenständlichen Antrag beschriebene Fachkräftezentrum der Stadt Wien soll im Wesentlichen einen Teil jener Maßnahmen, die in der Steiermark bereits bestehen, zentral bündeln. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Bundesländer Steiermark und Wien topografisch massiv unterscheiden, wäre die Bündelung und Zentralisierung von Angeboten an einem Standort aus Sicht der Zielgruppen (Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Betriebe, NGOs, Arbeitsmarktservicestellen) nicht sinnvoll und mit einem erheblichen Mehraufwand für alle Beteiligten verbunden."
Es wird daher der
Antrag
gestellt:
Der Landtag wolle beschließen:
Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft zum Antrag, Einl.Zahl 1688/1, betreffend "Errichtung eines Steirischen Fachkräftezentrums", der Abgeordneten der NEOS wird zur Kenntnis genommen.
Die Obfraustellvertreterin:
LTAbg. Mag. Bernadette Kerschler