EZ/OZ: 532/1
Dringliche Anfrage (§ 68 GeoLT)
eingebracht am 22.05.2020, 14:03:13
Landtagsabgeordnete(r): LTAbg. Nikolaus Swatek, BSc (NEOS), LTAbg. Robert Reif (NEOS)
Fraktion(en): NEOS
Regierungsmitglied(er): Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer
Betreff:
Kommt das Land Steiermark seiner Verantwortung bei widerrechtlich verhängten Corona Strafen nach?
Während der Corona-Krise wurden die Bürger_innen in zahlreichen Pressekonferenzen, Interviews der Regierungsmitglieder und in den Medien darüber informiert, dass das Verlassen des Hauses nur in Ausnahmefällen erlaubt sei, und zwar um zur Arbeit zu gelangen, um die Grundbedürfnisse abzudecken, anderen Personen zu helfen, die darauf angewiesen sind oder für einen kurzen Spaziergang. Hielt man sich an diese Regelung nicht, so konnte von der Polizei wegen Missachtung der Covid-Maßnahmen eine Anzeige oder ein Organmandat ausgestellt werden. Das verhängte Strafmaß (bis zu 3600 Euro) für eine solche Missachtung konnte für Betroffene durchaus kostspielig werden. Der Großteil der Bevölkerung hielt sich vehement an die Covid-Verordnung und nahm die Informationen der Regierungsmitglieder und Medien ernst und hielt sie für gesetzlich gerechtfertigt.
Einem Urteil des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zufolge, gab es aber auch während des strengen Lockdowns keine Beschränkungen auf einen bestimmten Zweck, die eigene Wohnung zu verlassen, solange der Mindestabstand von einem Meter eingehalten wurde. Die Covid-Verordnung, an die sich so viele Bürger_innen hielten, sah eine derartige Beschränkung der Bewegungsfreiheit, wie sie den Bürger_innen durch die politisch Verantwortlichen und Medien kommuniziert wurde, gar nicht vor. Die Erkenntnis (GZ: LVwG-S-891/001-2020) des Landesverwaltungsgerichts am 12.05.2020: “Der Aufenthalt in privaten Räumen unterlag zu keinem Zeitpunkt einem Verbot durch die gegenständliche Verordnung”[...] Die Verordnung sieht keine Beschränkung des Zweckes für ein Betreten des öffentlichen Ortes nach der Ausnahmebestimmung des § 2 Z 5 vor, auch wenn medial immer nur das „Luftschnappen“ oder „Sport“ als zulässig dargestellt wurden.”
Somit wurde die Strafe in der Höhe von 600 Euro wegen eines Privatbesuch einer befreundeten Familie aufgehoben. Dadurch ist belegt, dass es für die verhängten Strafen keinerlei Rechtsgrundlage gab, und die Behörden offensichtlich nach medial kommunizierten Informationen der Bundesregierung gehandelt haben. Sie haben Strafen verhängt, die keine Rechtsgrundlage hatten und damit den Rahmen der Rechtstaatlichkeit verlassen. Steirer_innen haben den Preis dafür bezahlt, dass die Landesregierung und die ausführenden Behörden einer Einschüchterungs-Kampagne der Bundesregierung gefolgt sind, und nicht der Verordnung, die andere Regelungen vorgesehen hat. Dieses Vorgehen ist einem Rechtsstaat nicht tolerierbar und aufs Schärfste zu verurteilen.
Das Land Niederösterreich hat aus diesem Grund angekündigt, alle Strafen bei gleich gelagerten Sachverhalten zurückzuzahlen. Bei künftigen Beurteilungen werde die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Berücksichtigung finden, teilte das Land Niederösterreich mit.
In der Steiermark kam es bis zum 21. April zu insgesamt fast 33.000 Anzeigen und 405 Organstrafmandaten wegen Verstößen gegen COVID-19-Verordnungen. Diese Strafen wurden jedoch, wie sich nun herausstellte, nicht auf der Grundlage einer gesetzlichen Verordnung verhängt, womit die Rechtsstaatlichkeit während des Lockdowns de facto ausgehebelt wurde.
(Quelle:https://www.kleinezeitung.at/steiermark/5803467/Steirische-CoronaBilanz_3351-Anzeigen-Abstand-halten-als-groesstes)
Bei der Wiedereröffnung der Gastronomie gibt es wiederholt juristische Unstimmigkeiten die bei Betreibern Verunsicherung hervorrufen können. Zwar ist das Betreten der Gaststätte nur im Zeitraum zwischen 06.00 und 23.00 Uhr gestattet, unklar bleibt für die Betreiber ob Gäste, die sich bereits vor 23.00 Uhr in der Gaststätte befunden habe, nach 23 Uhr noch bewirtet werden können. Der Grund dafür liegt darin, dass nach dem Gesetzeswortlaut der COVID-19-Lockerungsverordnung (BGBl I Nr. 197/2020) nur das Betreten nach 23 Uhr verboten ist (§ 6 Abs 2 der VO)
Deswegen sollte hier vorab verhindert werden, dass es auf Grund der unklaren und unpräzisen Formulierung der Lockerungsverordnung und Desinformation der Betroffenen zu unrechtmäßigen Anzeigen kommt.
Es wird daher folgende
Dringliche Anfrage
gestellt:
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Zu wie vielen Anzeigen kam es im Zeitraum vom 16. März bis 1. Mai 2020 wegen einer Missachtung der Covid-Maßnahmen?
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Zu wie vielen Organstrafmandaten kam es im Zeitraum vom 16. März bis 1. Mai 2020 wegen einer Missachtung der Covid-Maßnahmen?
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Kam es zur Ausstellung von Anzeigen oder Organstrafmandaten in der Steiermark wegen Privatbesuchen?
Wenn ja, wie viele?
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Wie hoch ist die Summe der bisher verhängten Strafen in der Steiermark?
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Gab es eine gesetzliche Grundlage auf Basis welcher diese Strafen verhängt wurden?
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Wird das Land Steiermark dem Beispiel Niederösterreichs folgen und für Strafen ihrer Bürger_innen, die zu Unrecht verhängt wurden, aufkommen?
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Wird sich die steiermärkische Landesregierung bei der Bundesregierung dafür einsetzen, dass die bereits bestehenden Bestimmungen für die Wiedereröffnung der Gaststätten präzisiert werden und es nicht wiederholt zur Verhängung von Strafen, die auf keiner gesetzlichen Grundlage basieren, kommt?
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Wie wird das Land Steiermark vorgehen, wenn sich in Hinkunft herausstellt, dass das Bewirten von Gästen nach 23:00 Uhr nicht strafwürdig ist?
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Würde das Land Steiermark auch in diesem Fall für Strafen, die zu Unrecht verhängt wurden, aufkommen?
Unterschrift(en):
LTAbg. Nikolaus Swatek, BSc (NEOS), LTAbg. Robert Reif (NEOS)